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Ein Traktor darf von dem von ihm bearbeiteten Acker über einen Gehweg auf die Fahrbahn auffahren, selbst dann, wenn es anderweitige Möglichkeiten geben sollte, auf die Fahrbahn zu gelangen. Ein Verstoß gegen § 2 Abs. 1 StVO liegt in diesem Fall nicht vor.
Wird im Zusammenhang mit einer Baustellenlichtzeichenanlage ein Stromkabel über den Gehweg gespannt, muss gewährleistet sein, dass ein Fahrzeug mit den maximalen Abmessungen gem. § 32 StVZO (4 m) unter dem Kabel passieren kann.
LG Aachen, Urteil vom 08.08.2023 - 5 S 79/22 -
Tierhalter iSv. § 833 BGB ist derjenige, bei dem eine Zuordnung des Tieres zur Lebens- oder Wirtschaftssphäre vorliegt, zu der insbesondere die Bestimmungsmacht über das Tier, die Nutzung und Kostentragung aus eigenem Interesse, das Verlustrisiko, die Übernahme von Versicherungsprämien etc. gehören.
Lebt der Hund auf dem Hof des Beklagten, steht er aber im Eigentum der in einer gesonderten Wohnung auf dem Hof lebenden Tochter des Beklagten, die auch das Bestimmungsrecht hat und die Aufsicht ausübt, ist nicht der Beklagte Tierhalter und scheidet seine Haftung nach § 833 BGB aus.
Tieraufseher iSv. § 834 BGB ist nicht bereits derjenige, in dessen Haftpflichtversicherung das Tier mitversichert ist. Daraus ist noch nicht zu entnehmen, dass auch die Aufsicht über das Tier übernommen wird.
AG Wolfach, Urteil vom 11.07.2023 - 1 C 33/23 -
(1) Der erklärte Vorbehalt „Gläubiger „ohne Anerkennung einer Rechtspflicht und ohne Präjudiz dem Grunde und der Höhe nach sowie mit dem Vorbehalt der Verrechnung bzw. Rückforderung“ ist auszulegen, §§ 133, 157 ZPO. Grundsätzlich sollen nur die Anerkenntniswirkung des § 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB sowie der Rückforderungsausschluss gem. § 814 BGB vermieden werden. Liegen keine dagegen sprechenden Umstände vor (z.B. Zahlung zur Abwehr einer Vollstreckung) erfolgt die Zahlung als Erfüllung. Einen Anspruch auf Anerkenntnis seiner Forderung hat der Gläubiger nicht. Die Beweislast des fehlenden Leistungsgrundes bei einer Rückforderung nach § 812 BGB hier trägt der Zurückfordernde.
(2) (a) Die negative Feststellungsklage des Gläubigers gegen den Versicherungsnehmer im Hinblick auf den Rückforderungsvorbehalt des zahlenden Haftpflichtversicherers ist unschlüssig, da Inhaber des Rückforderungsanspruchs der Haftpflichtversicherer ist.
(b) Die negative Feststellungsklage gegen den Versicherungsnehmer ist unzulässig, da ein Feststellungsinteresse fehlt. Mit ihr kann die Rechtsunsicherheit auf Seiten des Gläubigers nicht beseitigt werden, da ein Feststellungsurteil nur zwischen den Parteien und damit nicht im Verhältnis zum Haftpflichtversicherer wirkt.
OLG Frankfurt, Urteil vom 24.02.2023 - 4 U 155/22 -
Wenn eine Klageschrift nicht vollständig dem Gericht als elektronisches Dokument über einen sicheren Übermittlungsweg bei Gericht eingereicht wird, entspricht sie nicht den gesetzlichen Anforderungen des § 130a ZPO, wenn sie nicht qualifiziert wurde oder zumindest signiert wurde. Die (einfache) Signatur hat z.B. durch Wiedergabe des Namens des das Dokument verantwortenden Rechtsanwalts oder einer eingescannten Unterschrift desselben zu erfolgen.
Die unvollständig bei Gericht eingereichte Klageschrift, die keine Signatur (eine qualifizierte Signatur noch eine einfache Signatur) aufweist, ist nicht geeignet, eine laufende Verjährung zu hemmen, § 204 Abs. 1 Nr. 1 ZPO. Wird die Signatur erst nach Eintritt der Verjährung nachgeholt, wirkt dies nicht zurück. Auf die Einrede der Verjährung hin ist die Klage abzuweisen.
Der Umstand, dass der Rechtsanwalt nach dem von ihm genutzten Briefkopf als Einzelanwalt tätig ist, rechtfertigt keine Ausnahme von dem Erfordernis des § 130a ZPO zur Signatur.
LG Kassel, Hinweisbeschluss vom 31.05.2023 - 1 S 177/22 -
Enthalten die Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB) einer Tieroperations- und/oder -Tierkrankenversicherung eine Regelung, nach der nur bei Vertragsabschluss gesunde Tiere versichert werden können, so besteht kein Erstattungsanspruch, wenn eine Behandlung wegen einer Erkrankung erfolgte, die auf einer angeborenen Erkrankung beruht und damit zum Zeitpunkt des Abschlusses des Versicherungsvertrages bereits bestand.
Die Beweislast dafür, dass das Tier bei Abschluss der Versicherung gesund war, trägt der Versicherungsnehmer.
Amtsgericht Schwabach, Urteil vom 26.06.2023 - 4 C 766/22 -
Zahlt der Haftpflichtversicherer für seinen Versicherungsnehmer (teilweise) geforderten Schadensersatz an den Geschädigten, steht die Angabe, die Zahlung erfolge unter Vorbehalt der Rückforderung und ohne Präjudiz dem Grunde und der Höhe nach, der Erfüllung (§ 362 BGB) grundsätzlich nicht entgegen. Nach der gebotenen Auslegung (§§ 133, 157 BGB) soll damit nur für den Fall einer etwaigen Rückforderung die Anerkenntniswirkung des § 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB sowie der Rückforderungsausschluss des § 814 BGB vermieden wird. Auf ein Anerkenntnis neben der Erfüllung hat der Gläubiger keinen Rechtsanspruch.
Etwas anders kann dann angenommen werden, wenn z.B. der Leistende den Vorbehalt zur Abwendung der Zwangsvollstreckung aus einem vorläufig vollstreckbaren Titel zahlt und einen Rechtsstreit gleichwohl fortsetzt.
Zahlt der Haftpflichtversicherer aufgrund seiner dem Versicherungsnehmer gegenüber bestehenden Freistellungsverpflichtung, ist eine Klage gegen den Versicherungsnehmer auf Feststellung, dass ein Rückforderungsanspruch nicht besteht, unschlüssig. Nicht der Versicherungsnehmer hat eventuell einen Rückforderungsanspruch, sondern im Rahmen der Leistungskondiktion nur der Versicherer. Die gegen den Versicherungsnehmer erhobene negative Feststellungsklage ist daher nicht nur unbegründet, sondern bereits infolge des fehlenden Feststellungsinteresses unzulässig.
OLG Frankfurt, Urteil vom 24.02.2023 - 4 U 155/22 -
Eine Frist zur „unverzüglichen“ Anzeige eines Versicherungsfalls (hier im Rahmen einer Jagdhundeunfallversicherung) bei dem Versicherer in den Versicherungsbedingungen ist vom Versicherungsnehmer einzuhalten. Die vorsätzliche Verletzung führt nach den Bedingungen als Obliegenheitspflichtverletzung regelmäßig zum Verlust des versicherungsvertraglichen Anspruchs, die grob fahrlässige Verletzung einer solchen Frist zu einer im Verhältnis zum Verschulden stehenden Leistungskürzung.
Eine (auch fristgerechte) Anzeige des Versicherungsfalls gegenüber dem Versicherungsmakler ist grundsätzlich nicht ausreichend, die Frist zu wahren. Leitet der Versicherungsmakler die Anzeige verspätet an den Versicherer weiter (hier ca. vier Monate nach dem Vorfall), liegt dies in der Sphäre des Versicherungsnehmers, der allenfalls Schadensersatz vom Versicherungsmakler verlangen kann.
AG Bautzen, Urteil vom 29.03.2022 - 20 C 415/21 -
Der Reiter hat gegenüber dem Tierhalter eines Pferdes grundsätzlich auch einen Haftungsanspruch aus § 833 S. 1 BGB (Gefährdungshaftung des Tierhalters bei Verwirklichung einer Tiergefahr).
Der Reiter, dem der Tierhalter das Pferd aus Gefälligkeit überlässt, muss sich im Rahmen der Mitverschuldensprüfung entsprechend § 834 BGB exkulpieren. Kann er sich im Hinblick auf den eigentlichen Reitunfall nicht exkulpieren und liegt ein vorgelagertes Verschulden vor (hier: da der Reiter das Pferd trotz Kenntnis des Bewegungsdrangs des Pferdes und der Erforderlichkeit, es deshalb vor dem Reiten zu longieren, ohne es zu longieren ritt), kommt der Tierhalterhaftung nach § 840 Abs. 3 BGB keine Bedeutung zu.
§ 840 Abs. 3 BGB gilt seinem Sinngehalt nach nicht nur im Verhältnis von Gesamtschuldnern, sondern auch dann, wenn es um den eigenen, von dem Tier mitverursachten Schaden des Tierhalters geht.
OLG Frankfurt, Beschluss vom 05.04.2022 - 6 U 95/19 -
Kommt es im Bereich einer (unübersichtlichen) Kurve zur Kollision zwischen einem Traktor mit Anhänger und einem entgegenkommenden PKW, folgt eine Haftung oder Mithaftung des Traktors jedenfalls dann nicht schon aus der Überbreite des Gespanns, wenn an sich beide Fahrzeuge hätten nebeneinander passieren können.
Fährt das Traktorgespann äußerst rechts und der entgegenkommende PKW im Bereich der Fahrbahnmitte, so entfällt eine Haftung des Traktorgespanns, wenn dieses die Kurve lediglich mit einer mäßigen Geschwindigkeit von 25km/h befuhr und im Hinblick auf den im Bereich der Fahrbahnmitte fahrenden PKW abbremste auch dann, wenn durch das Abbremsen das Gespann durch ABS nach links gezogen wird und es deshalb mit dem PKW zur Kollision kommt. Der Traktorführer hat sich hier noch als Idealfahrer iSv. § 7 Abs. 2 StVG verhalten, da zum Einen eine niedrigere Ausgangsgeschwindigkeit als 25km/h zur einer Gefährdung möglicher dem Traktor nachfolgender Fahrzeuge geführt haben könnte und zum Anderen das Abbremsen in Unkenntnis der möglichen Reaktion des Fahrers des entgegenkommenden PKW und zur Abwendung möglicher schwerwiegenden Folgen auch für Leib und Leben der Insassen des PKW einer sorgfältigen und geistesgegenwärtigen Reaktion eines Idealfahrers in der konkreten Gefahrensituation entsprochen hat.
Demgegenüber stellt sich das Fahren des PKW zur Fahrbahnmitte und nicht gem. § 2 Abs. 2 StVG rechts als schuldhaft dar, wenn die Einhaltung des Rechtsfahrgebots Vermeidungspotential gehabt haben könnte.
OLG Köln, Hinweisbeschluss vom 20.04.2020 - I-12 U 190/19 -
Power Plate ist kein Sport und keine Sportart. Es handelt sich um eine Vibrationsbehandlung unter Vermeidung von Sport.
Sportuntauglichkeit kann bei einem befristeten Power-Plate-Vertrag kein außerordentliches Kündigungsrecht bei ärztlich bestätigter Sportuntauglichkeit begründen, da Power Plate nicht Sport ist.
AG Brühl, Urteil vom 05.05.2020 - 20 C 213/19 -
Bei einem Verkaufsstand auf der Parkfläche eines Lebensmittelmarktes muss mit Unebenheiten gerechnet werden, auch mit Randsteinen als Einfassung von Parkbuchten/-taschen. Steht der Verkaufsstand innerhalb einer Parktasche, die mit Randsteinen versehen ist, obliegt dem Betreiber des Verkaufsstandes in Ansehung der Randsteine keine Verkehrssicherungspflicht und haftet er nicht, wenn ein Fußgänger auf dem Parkplatz / ein Kunde bei Zugang oder Weggang vom Stand über den Randstein stürzt. Ein Hinweis auf den Randstein ist bei deutlicher Sichtbarkeit (hier einer Höhe von 15 – 17cm, Farbunterschied zur übrigen Fläche) nicht erforderlich. Eine Verkehrssicherungspflichtverletzung des Standbetreibers liegt nicht vor.
Der (potentielle) Kunde / Fußgänger muss bei Annäherung an den bzw. Entfernen vom Stand auch den Blick am Boden haben und kann sich nicht darauf berufen, er habe sein Augenmerk auf den Stand gehabt.
OLG Frankfurt, Hinweisbeschluss vom 03.09.2019 - 12 U 117/19 -
(vorgehend LG Darmstadt, Urteil vom 08.05.2019 - 11 O 200/18 -)
Die Verkehrssicherungspflicht für die Abgrenzung einer Parkbucht auf dem Parklatzgelände eines Einkaufsmarktes mittels Bordstein zum dahinterliegenden Fußweg obliegt nicht dem Betreiber eines auf der Parkbucht stehenden Verkaufsstands, sondern dem Betreiber des Parkplatzes.
Durch den Verkaufsstand auf der Parkbucht wird in Bezug auf den Bordstein auch keine neue Gefahrenquelle eröffnet, da die Gefahr, dass Personen mittelbar von der Parkbucht auf den Fußweg treten, nicht nur vom Verkaufsstand ausginge, sondern auch beim Abstellen eines Fahrzeuges nach dem Aussteigen aus diesem mit Weg Richtung den Fußweg.
Ist (wie hier von der Höhe her als auch zusätzlich wegen unterschiedlichem Belag auf der Parkplatzfläche und dem angrenzenden Fußweg) der Bordstein von weitem deutlich zu erkennen, liegt keine abhilfebedürftige Gefahrenquelle vor.
LG Darmstadt, Urteil vom 08.05.2019 - 11 O 200/18 -
(Die Berufung wurde vom OLG Frankfurt mit Beschluss vom 03.09.2019 - 12 U 117/19 - zurückgewiesen)-
Die Tierhaltereigenschaft des Anspruchsgegners ist von dem Anspruchsteller darzulegen und zu beweisen. Indizien für die Tierhaltereigenschaft sind die Gewährung von Obdach und Unterhalt, Tragen der Unterhaltskosten, Versicherungsprämien und das Verlustrisiko.
Alleine das Bestehen einer Tierhalterversicherung reicht nicht aus, da diese auch abgeschlossen worden sein kann, da der Anspruchsgegner befürchtet habe, in Anspruch genommen zu werden. Leiste die Versicherung in Zusammenhang mit einem durch das Tier verursachten Schaden an einen Dritten, muss sich der Anspruchsgegner dieses Verhalten der Versicherung nicht zurechnen lassen, unabhängig davon, dass durch die Leistung auch nicht feststehen würde, dass sie aufgrund der Versicherung mit dem Anspruchsgegner geleistet hat.
LG Marburg, Urteil vom 29.10.2018 - 1 O 80/18 -
Die Verlegung eines Fitnessstudios rechtfertigt nicht prinzipiell die Kündigung des Fitnessstudiovertrages (hier bei 150m verneint). Auch die Umfirmierung eines Studios rechtfertigt dies nicht, jedenfalls wenn kein Wechsel des Vertragspartners damit einhergeht. Eine Treppe zum (neuen) Studio begründet (auch für Behinderte) kein außerordentliches Kündigungsrecht bei Vorhandensein eines Aufzuges; die Nichtfunktion des Aufzuges muss unter Fristsetzung angemahnt werden. Ein fehlender Zugang zu Trainingsgeräten im neuen Studio (hier wegen einer Köperbehinderung) erfordert auch eine vorherige Fristsetzung. Fehlende Duschen rechtfertigen die Kündigung nicht, wenn eine Nutzung bereits im alten Studio (aus Gründen der Körperbehinderung) nicht erfolgte. Eine verspätete Information über den Umzug kann jedenfalls dann keine fristlose Kündigung rechtfertigen, wenn nicht einmal vorgetragen wird, dass bei entsprechender Kenntnis ordentlich gekündigt worden wäre und sich deshalb der Vertrag nicht verlängert hätte.
AG Plettenberg, Urteil vom 28.09.2018 - 1 C 2/18 -