Fitnessstudiovertragsrecht


Kein Kündigungsrecht wenn Krankheit bei Vertragsschluss schon bekannt war

Urteil des AG Frankfurt-Höchst vom 13.03.2013 - 385 C 10/13 (70)

Bei Fitnessstudio-Verträgen ist eine der möglichen Gründe für eine vorzeitige Beendigung des Vertrages gem. § 314 BGB (sogenannte fristlose Kündigung) die Erkrankung. Die Entscheidungen darüber betreffen regelmäßig die Fragen, welcher Art und tatsächlicher und zeitlicher Umfang vorliegen müssen und seit wann der Nutzer davon Kenntnis hat. Denn unstreitig ist allgemein, dass der Nutzer kündigen kann, wenn ihm für die restliche Vertragslaufzeit die Nutzung der Einrichtung aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr möglich ist. 


In dieser Entscheidung setzt sich das AG Frankfurt am Main-Höchst mit der von ihm negierten Frage auseinander, ob bei Vorerkrankung noch ein Kündigungsrecht bestehen kann.


Urteil im Wortlaut:


Amtsgericht Frankfurt/Main Außenstelle Höchst 

Geschäfts-Nr. 385 C 10/13 (70)

 

Verkündet  am: 11.03 .2013


 

 

 

Urteil

 

 

Im   Namen   des Volkes

 

 

ln dem Rechtsstreit

 

 

 

XXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXX

Klägerin

 

Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt Ralf Niehus, Gerbermühlstraße 9,

60594 Frankfurt

 

gegen


XXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXX

                                                                                                                          Beklagte

Prozessbevollmächtigte : Rechtsanwälte XXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXX

 

 

 

 

hat das Amtsgericht Frankfurt am Main- Außenstelle Höchst-

durch Richter am Amtsgericht Christmann im schriftlichen Verfahren gemäߧ 495 a ZPO mit Schriftsatzschluss am 01.03.2013 für Recht erkannt:

 

 

 

Die Beklagte wird verurteilt , an die Klägerin 389 ,50 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über den jeweiligen Basiszinssatz aus je 48 ,50 Euro seit dem 02.08.2012 und 04.09.2012 sowie aus 292 ,50 Euro seit dem 02.10.2012 sowie 4 ,50 Euro vorprozessuale Kosten zu zahlen. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

 

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

 

 

Tatbestand:

 

Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäߧ 313 a Abs . 1 Satz 1 ZPO abgesehen .

 

 

Entscheidungsgründe:

 

 

  

Die Klage ist begründet.

 

Die Klägerin hat aus § 535 Abs. 2 BGB in Verbindung mit dem abgeschlossenen Fitness-Vertrag vom 22.03.2012 einen Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung des (für die Monate ab Januar 2013 um monatlich 0,50 erhöhten) Nutzungsentgeltes für die Monate August 2012 bis einschließlich März 2013 von je 48 ,50 bzw. 49 ,00 €. Dies ergibt eine begründete Klageforderung in Höhe von 389 ,50 Euro.

 

 Die Kündigung der Beklagten vom 26.09.2012 ist nicht geeignet , den Vertrag mit Wirkung des Eingangs des Kündigungsschreibens zu beenden, ebenso wenig , wie die behauptete Überreichung des ärztlichen Attestes vom 29.10.2012 am gleichen Tag .

 

Im Rahmen der außerordentlichen Kündigung, gleich ob sie auch § 626 BGB oder auf § 314, 313 BGB gestützt wird , ist ein wichtiger Grund im Sinne dieser Vorschriften nur dann anzunehmen , wenn unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles sowie unter Berücksicht igung der Interessen beider Vertragspartne r im Zeitpunkt der Kündigungserklärung sich die Fortsetzung des Schuldverhältnisses bis zu dessen regulärer Beendigung vor dem Kündigenden als unzumutbar darstellt. Diese Maßstäbe zugrunde gelegt , stellt die Erkrankung der Beklagten keinen zur außerordentlichen Kündigung berechtigenden wichtigen Grund dar .

 

Eine Erkrankung des Kunden aus wichtigem Grund kann für die Kündigung eines Fitness-Vertrages sodann herangezogen werden , wenn diese Erkrankung für den Kunden unerwartet während der Vertragslaufzeit aufgetreten ist. Derjenige Kunde jedoch , der in Kenntnis seiner Erkrankung einen langfristigen Nutzungsvertrag mit einem Fitness-Studio abschließt , übernimmt damit auch das Risiko, dass er die ihm angebotenen Leistungen möglicherweise nicht vollständig in Anspruch nehmen 

können wird . Der Beklagten war bei Abschluss des Vertrages im März 2012 bekannt, dass sie unter Multipler Sklerose litt. Insoweit ist auch allgemein bekannt, dass diese Erkrankung in unkalkulierbaren Schüben unterschiedlicher Intensität verläuft. Die Beklagte hätte dieses Risiko durch Wahl einer kürzeren Vertragslaufzeit entsprechend minimieren können. Die Beklagte hat sich aber stattdessen für eine längere Vertragslaufzeit mit entsprechend günstigeren Monatsbeiträgen entschieden . Das ein erheblicher Krankheitsschub im Juli 2012 , spätestens aber im Herbst 2012 auftrat, ist bedauerlich , liegt aber allein im Risikobereich des Kündigenden .

 

Diese Einstufung· ist kein Zynismus. Auch der Unterzeichner hat sich bei seinem eigenen Fitness-Vertrag - bei einem nicht im Gerichtsbezirk gelegene n Fitness­ Studio - trotz schwerer chronischer Erkrankung für eine lange Vertragslaufzeit entschieden, wohl wissend, dass dessen günstige Monatsraten mit einer verlängerten Kündigungsfrist einhergehen . Diese Wertung und Risikoverteilung entspricht auch in Ansehung der wirtschaftlichen Zusammenhänge der ständigen , von Klägerseite bereits zitierten höchstrichterlichen Rechtsprechung .

 

 

Der Anspruch auf Zinsen und vorgerichtliche Kosten folgt aus §§ 286 Abs . 2 Satz 1, 28·8 Abs . 1, 280 BGB.

 

 

Die Beklagte hat als unterlegene Partei die Kosten des Rechtsstreits gemäß § 91 Abs. 1 ZPO zu tragen.  

 

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat ihren Rechtsgrund in §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO .

 

 

 

 

Christmann

 

Richter am Amtsgericht

 

 

 

 


Download
AG Ffm-Höchst 11.03.2013.docx
Microsoft Word Dokument 131.3 KB

Anmerkung / Verweis:

Auch das LG Frankfurt hatte bereits in einem Hinweisbeschluss vom 22.09.2010 - 2/16 S 136/10 -  die Rechtsansicht vertreten, dass die (vorzeitige) Künmdigung eines Fitnessstudiobertrages dann nicht begründet ist, wenn dem Nutzer bei Vertragsabschluss seine später der Kündigung zugrundeliegende Erkrankung bekannt war.