Kurze Inhaltsangabe:
Der Beklagte betrieb auf dem Parkplatz eines Einkaufsmarktes einen Spargelstand. Dieser stand auf einer der Parkbuchten, die seitlich mit Randsteinen zu einem dem Fußverkehr (einschl. Einkaufswagen) auf dem Parkplatz vorbehalten Weg versehen waren. Die Klägerin, die am Spargelstand einkaufte, verließ diesen seitlich und stolperte dabei über den Randstein. Mit ihrer bei dem Landgericht erhobenen Klage machte sie Schadensersatzansprüche und Schmerzensgeld gegen den Beklagten geltend. Die Klage wurde abgewiesen. Auf die Berufung wies das OLG die Klägerin darauf hin, dass die Zurückweisung derselben beabsichtigt sei.
Das OLG wies darauf hin, dass eine haftungsrelevante Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht nur angenommen werden könne, wo auch für den aufmerksamen Verkehrsteilnehmer eine Gefahrenlage überraschend eintrete und nicht rechtzeitig erkenn- und beherrschbar sei. Im Übrigen seien sowohl öffentliche Wege und Plätze wie auch privat betriebene Parkplätze in den für den Benutzer erkennbaren Zustand hinzunehmen, da eine absolute Gefahrlosigkeit unter Einsatz zumutbarer Mittel nicht erreichbar sei (BGH, Urteil vom 13.07.1989 – III ZR 122/88 -). Könne ein Verkehrsteilnehmer bei zweckgerichteter Nutzung und gebotener Sorgfalt selbst etwaige Schäden abwenden, bestehen keine weitergehende Pflicht des an sich Verkehrssicherungspflichtigen. Vorsorgemaßnahmen durch diesen seien nur geboten, wenn sich für ein sachkundiges Urteil die nahe liegende Möglichkeit einer Rechtsgutsverletzung ergäbe, was dann der Fall sei, wenn der Verkehrsteilnehmer die zu erwartende Gefahr nicht rechtzeitig erkennen und sich nicht rechtzeitig auf diese einstellen könne (OLG Hamm, Urteil vom 01.01.2012 – 9 U 143/11 -).
Bei einem Verkaufsstand auf dem Parkplatz eines Supermarktes wie hier würden die Sicherheitserwartungen nicht dahin gehen, dass die Fläche überall stets flach und ohne jegliche Absätze sei. Der Fußgänger müsse sogar mit Randsteinen und Abgrenzungen rechnen. Entsprechende Einfassungen seien sinnvoll und auch üblich und ließen sich vom Fußgänger bei gebotener Sorgfalt leicht bewältigen. Deshalb bedürfe es keines besonderen Hinweises, wenn sie wie hier durch ihre markante Höhe (15 – 17 cm gemäß dem Urteil des Landgerichts) und einer unterschiedlichen Pflasterung beidseits der Abgrenzung klar erkennbar sei.
Auch könne sich der Besucher des Spargelstandes nicht darauf berufen, dass sich die Einfassung unmittelbar neben dem Spargelstand befinde und der Kunde sein Augenmerk auf den Stand und nicht den Boden richte. Denn auch in diesem Fall liege es im Verantwortungsbereich des Fußgängers, bei Annäherung an bzw. Entfernung vom Stand den Boden mit im Blick zu haben. Dass sich der Stand auch in einer tieferliegenden Parktasche befände sei ausweislich der Lichtbilder bei Anwendung gebotener Sorgfalt klar erkennbar, weshalb es dem sorgfältigen Verkehrsteilnehmer auch bei Verlassen des Standes trotz eines geringen Abstandes der Einfassung zum Stand zumutbar sei, sich vor einem seitlichen Weggehen über die Bodenverhältnisse zu vergewissern.
Hinzu käme, dass es sich bei dem Spargelstand ersichtlich nur um einen vorrübergehenden bzw. provisorischen Verkaufsstand handele, weshalb erst recht kein Vertrauensschutz auf eine ebene Fläche angenommen werden könne.
Aus dem Verhalten des Beklagten nach dem Vorfall (zusätzliche Absicherung zum Randstein durch Spargelkisten und Aufstellen eines Schildes, rechtfertige auch nicht die Annahme einer vorherigen Verkehrssicherungspflichtverletzung.
Die Berufung der Klägerin wurde schließlich durch das OLG mit Beschluss vom 21.10.2019 zurückgewiesen.
Aus den Gründen:
Tenor
Die Klägerin wird auf die Absicht des Senats hingewiesen, die Berufung ge gen das Urteil der 11. Zivilkammer des Landgerichts Darmstadt vom 08.05.2019 nach§ 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen. Sie erhält Gelegenheit, hierzu bis zum 30.09.2019 - eingehend bei den Zivilsenaten in Darmstadt Stellung zu nehmen.
Gründe
Die Berufung wird im Beschlussverfahren zurückzuweisen sein, da sie offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat und eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist (§ 522 Abs. 2 ZPO).
Das Landgericht hat zu Recht festgestellt, dass der Klägerin gegen den Beklagten kein Anspruch auf Schadensersatz wegen Verletzung der Verkehrssicherungspflicht zusteht. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die zutreffende Begründung in dem angefochtenen Urteil, die sich der Senat zu eigen macht, verwiesen (§ 543 Abs. 1 ZPO).
In Übereinstimmung mit der obergerichtlichen Rechtsprechung geht das Landgericht im rechtlichen Ansatz zutreffend davon aus, dass eine haftungsrelevante Verletzung der Verkehrssicherungspflicht erst dort beginnt, wo auch für den aufmerksamen Verkehrsteilnehmer eine Gefahrenlage überraschend eintritt und nicht rechtzeitig erkennbar und beherrschbar ist. Ansonsten sind öffentliche Straßen, Wege und Plätze aber auch privat betriebene Parkplätze in dem Zustand hinzunehmen, in dem sie sich dem Benutzer erkennbar darbieten, da absolute Gefahrlosigkeit unter Einsatz zumutbarer Mittel nicht erreicht werden kann (BGH, Urteil vom 13.07.1989 - III ZR 122/88). Der Benutzer muss sich den vorgegebenen Verhältnissen anpassen (vgl. OLG Saarbrücken, Urteil vom 09.09.2008 - 4 U 114/08, beck-online m.w.N.). Es ist den Gefahren Rechnung zu tragen, die nach der Einsicht eines besonnenen, verständigen und gewissenhaften Menschen erkennbar sind (OLG Saarbrücken, a.a.O., m.w.N.). Kann der Verkehrsteilnehmer bei zweckgerichteter Benutzung und Anwendung der gebotenen Sorgfalt selbst etwaige Schäden abwenden, bestehen keine weiter gehenden Pflichten. In schwierigen Situationen wird eine gesteigerte Aufmerksamkeit verlangt (OLG Saarbrücken, a.a.O., m.w.N.). Vorsorgemaßnahmen sind nur dann geboten, wenn sich für ein sachkundiges Urteil die nahe liegende Möglichkeit einer Rechtsgutverletzung anderer ergibt. Das ist dann zu bejahen, wenn eine Gefahrenquelle trotz Anwendung der von den Verkehrsteilnehmern zu erwartenden eigenen Sorgfalt nicht rechtzeitig erkennbar ist und diese sich auf die Gefahrensituation nicht rechtzeitig einstellen können (OLG Hamm, Urteil vom 1.1.2012 - 9 U 143/11, BeckRS 2012, 5480, beck-online m.w.N.).
Wendet man diese Grundsätze auf den Streitfall an, fehlt es nach den zutreffenden Ausführungen des Landgerichts bereits an einer objektiven Verletzung der Verkehrs sicherungspflicht durch den Beklagten.
Die Sicherheitserwartungen eines Fußgängers, der sich im Bereich eines Verkaufstandes auf einem Supermarkt-Parkplatz bewegt, gehen nicht dahin, dass eine solche Fläche überall stets flach und ohne jegliche Absätze ist. Vielmehr muss ein Fußgänger in diesem Bereich mit Randsteinen und Abgrenzungen zwischen den Parkflächen und den Fußgängerflächen rechnen, ein Vertrauensschutz auf eine ebene Fläche ohne Absätze, Randsteine und Hindernisse besteht in einem derartigen Bereich nicht. Derartige Einfassungen und Abgrenzungen sind sinnvoll und allgemein üblich. Sie lassen sich vom Fußgänger leicht bewältigen, wenn er sich unter Anwen dung der gebotenen Sorgfalt bewegt. Ein besonderer Hinweis auf eine solche Einfassung ist nicht nötig, wenn sie, wie hier, schon aufgrund ihrer markanten Höhe und der unterschiedlichen Pflasterung beidseits der Abgrenzung deutlich erkennbar ist.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass die Einfassung sich hier unmittelbar neben dem Spargelstand befand mit der Folge, dass der Kunde seine Aufmerksamkeit in erster Linie auf den Stand und nicht auf den Boden richtet. Auch in diesem Bereich bei Annäherung bzw. Entfernung vom Stand den Boden mit im Blick zu haben, liegt im Verantwortungsbereich des Fußgängers. Es liegt hier keine Fläche vor, bei der dieses Achtgeben überflüssig wäre, weil kein Hindernis zu erwarten wäre. Der Stand befand sich offensichtlich in einer tieferliegenden Parktasche, die Einfassung war bei Annäherung an den Stand ausweislich der vorgelegten Lichtbilder bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt ohne weiteres erkennbar. Dann aber ist es dem sorgfältigen Verkehrsteilnehmer auch bei Verlassen des Standes - trotz des geringen Abstandes der Einfassung zum Stand - zumutbar, sich vor einem seitlichen Weggehen vom Stand hinsichtlich der Bodenverhältnisse zu vergewissern.
Dies gilt insbesondere auch deshalb, weil es sich bei dem Spargelstand ersichtlich nur um einen vorübergehend bzw. provisorisch aufgestellten Verkaufsstand handelte, so dass erst recht kein Vertrauensschutz auf eine ebene Fläche angenommen werden kann.
Dass der Beklagte nach dem Unfall neben dem Randstein zur zusätzlichen Absicherung Spargelkisten bzw. in der folgenden Saison ein Schild aufgestellt hat (Anlage K2, BI. 20 d.A., unteres Bild), rechtfertigt ebenfalls nicht die Annahme einer vorherigen Verkehrssicherungspflichtverletzung.
Der Senat stellt eine Rücknahme der Berufung aus Kostengründen anheim. Im Fall der Berufungsrücknahme ermäßigen sich die Gerichtsgebühren von 4,0 auf 2,0 Gebühren (vgl. Nr. 1222 Kostenverzeichnis zum GKG).