Fitnessstudio-Vertragsrecht


Der Umzug rechtfertigt keine fristlose Kündigung

AG Leverkusen, Urteil vom 24.07.2015 - 21 C 167/15 -

Entscheidungsgründe


(Ohne Tatbestand  gern. § 313a ZPO)             

                                                                                        

Die zulässige  Klage ist vollumfänglich  begründet. 


Die Klägerin hat einen Anspruch gegen die Beklagte  aus  dem  zwischen  den Parteien geschlossenen Fitnessstudiovertrag  vom  28 .11.2013.

 

Ob die Klägerin die Kündigung als ordentliche oder außerordentliche Kündigung verstehen musste, muss nicht geklärt werden , da eine Beendigung des Vertragsverhältnisses zum 31.12.2014 selbst durch fristlose Kündigung der Beklagten am 24.11.2015 nicht erfolgt ist. Da nicht wirksam außerordentlich gekündigt werden konnte, bewirkte die Kündigungserklärung allein das Ende des Vertrages bis zum 31.10 .2015. Dies hat die Klägerin der Beklagten auch mit Schreiben vom 02.12.2014 (Anlage K 2, BI. 23 d.A.) bestätigt. Es bestand auch nach dem Vortrag der Beklagtenseite, der größtenteils bestritten wurde, kein wichtiger Grund i.S.d. § 314 Abs. 1 S. 1 BGB.

 

Da es  sich  beim  Fitnessstudiovertrag  um einen  typengemischten  Vertrag  mit  miet­ und dienstvertraglichen  Elementen  handelt, ist § 314  BGB anwendbar. Ein wichtiger Grund  im  Sinne  des §  314  Abs.  1 S.  1  BGB  ist  dann  gegeben,  wenn  Tatsachen vorliegen,   die   unter   Berücksichtigung   aller   Umstände   und  unter  Abwägung   der gegenseitigen · Interessen   die   Fortsetzung   des   Vertrages   für   den   Kündigenden unzumutbar werden  lässt. Dabei sind die Besonderheiten des jeweiligen Vertragstyps zu  berücksichtigen.   Bei  wesentlichen   Änderungen,   begründen   Gründe  aus  dem eigenen      Risikobereich      grundsätzlich      kein      Kündigungsrecht      (vgl.      u.a. Palandt/Grüneberg :  § 314 BGB Rn. 7). Diesen Grundsätzen  liegt die  Überlegung zu Grunde,   dass   der   Grundsatz   des   pacta   sunt_   servanda   nicht   aus   einseitigen ökonomischen  oder  rein  praktikablen  Erwägungen  heraus  aufgeweicht  werden  soll, sondern  nur dann, wenn die Vertragsgrundlage  durch Umstände, die aus der Sphäre des nicht kündigenden  Teils stammen,  beeinträchtigt wurde  (vgl. dazu  Link/Soergel, NJOZ 2012, 2057).

 

Der von  der  Beklagten  vorgetragene   Umzug  von  Hofheim  nach . Leverkusen  aus beruflichen   Gründen   stellt   einen   solchen   Umstand   dar,   der   grundsätzlich   dem Risikobereich   des   Fitnessstudionutzers   zuzurechnen    ist   und   somit   nicht   zur Kündigung  aus  wichtigem  Grund  berechtigt.  Dies  gilt  auch  unter  Berücksichtigung der  Tatsache,  dass  die  Beklagte  das  Fitnessstudio  der  Klägerin  nach  dem  Umzug faktisch   nicht   n_utzen   kann,   da   die   einfache   Strecke   zwischen   Wohnort   und Fitnessstudio 170 km beträgt.

 

Der BGH hat in seiner Entscheidung vom 11.11.2010 - III ZR 57/10 für den Fall der Kündigung eines DSL-Vertrages wegen Umzugs ausgeführt, dass ein Umzug aus familiärer oder beruflicher Veranlassung prinzipiell keinen wichtigen Grund  zur Kündigung darstellt, auch wenn des Netzbetreiber am neuen Wohnortdie Leistung nicht   mehr  zur   Verfügung   stellen   kann.  Die  Begründung   des   BGH  im  von  ihm entschiedenen   Fall  ist   auf  die  fristlose   Kündigung   eines     Fitnessstudiovertrages wegen  Umzugs übertragbar .

 

Zudem war der Beklagten bei Abschluss des Vertrages  bewusst,  dass  die  Kläger allein in Hofheimein Fitnessstudio unterhält.Dies ist beklagtenseits nicht bestritten worden.Aus diesem Grunde hat sie auch gewusst,dass eine Nutzung an einem anderen (Wohn-)Ort nicht möglich ist. Der Beklagten musste auch bekannt sein, dass ihr Arbeitsvertrag ihrem Arbeitgeber das Recht gibt, sie in einem anderen Unternehmen innerhalb der Lufthansa-Gruppe und an einen anderen Einsatzort als Frankfurt am Main zu versetzen . Aus diesem Grunde war für die Beklagte jedenfalls nicht gänzlich auszuschließen , dass ein Einsatz an einem anderen Ort innerhalb der Vertragslaufzeit erfolgen konnte, wenn sie nicht sogar grundsätzlich mit einer solchen rechnen musste. Insofern führt die tatsächlich erfolgte Versetzung aufgrund der arbeitsrechtlichen Weisungsgebundenheit und des sodann tatsächlich ausgeübten Weisungsrechts des Arbeitgebers gerade nicht dazu, dass ein außerordentliches Kündigungsrecht  entsteht


Das nachvollziehbare Interesse des Kündigenden liegt darin, dem Leistungsanbieter kein Entgelt mehr zu entrichten, da er die Einrichtung nicht nutzen kann. Dem stehen die Interessen des Fitnessstudiobetreibers  gegenüber . Letzterer  hat  grundsätzlich ein berechtigtes Interesse daran, seine Kunden langfristig zu binden und von ihnen Zahlungen zu erhalten. Daraus ergibt sich für ihn  zum  einen  eine Kalkulationsgrundlage, zum anderen muss er Sorge dafür tragen, dass sich seine bereits aufgewendeten Kosten amortisieren . Auch im Zusammenhang mit Fitnessstudioverträgen besteht die Gegenleistung für die, unter Beachtung des § 309 Nr. 9 lit. b) BGB, zulässige Vertragslaufzeit von (fast) zwei Jahren gerade in einem geringeren monatlichen Beitrag. Dies zeigt sich schon daran, dass konkret eine kürzere Laufzeit des Vertrags grundsätzlich möglich gewesen wäre, jedoch mit höheren monatlichen Grundpreisen . Diese Möglichkeit ist der Beklagten unstreitig bei Abschluss des Vertrages eingeräumt worden. Hieraus ergibt sich grundsätzlich , dass nach dem konkret geschlossenen Vertrag das Risiko der Nutzung während der vereinbarten Laufzeit beim Nutzer liegt, da dieser eine vergleichsweise lange Vertragsdauer  in Kauf genommen  hat.

 

Zudem war der Beklagten bei Abschluss des Vertrages  bewusst,  dass  die  Kläger allein in Hofheim ein Fitnessstudio unterhält.Dies ist beklagtenseits nicht bestritten worden.Aus diesem Grunde hat sie auch gewusst,dass eine Nutzung an einem anderen (Wohn-)Ort nicht möglich ist. Der Beklagten musste auch bekannt sein, dass ihr Arbeitsvertrag ihrem Arbeitgeber das Recht gibt, sie in einem anderen Unternehmen innerhalb der Lufthansa-Gruppe und an einen anderen Einsatzort als Frankfurt am Main zu versetzen . Aus diesem Grunde war für die Beklagte jedenfalls nicht gänzlich auszuschließen, dass ein Einsatz an einem anderen Ort innerhalb der Vertragslaufzeit erfolgen konnte, wenn sie nicht sogar grundsätzlich mit einer solchen rechnen musste. Insofern führt die tatsächlich erfolgte Versetzung aufgrund der arbeitsrechtlichen Weisungsgebundenheit und des sodann tatsächlich ausgeübten Weisungsrechts des Arbeitgebers gerade nicht dazu, dass ein außerordentliches Kündigungsrecht  entsteht.

 

Etwas Anderes  ergibt sich  nicht aus dem beklagtenseits  zitierten  Urteil des  BGH vom  8.2.2012 -XIIZR 42/10 . Gegenstand der gerichtlichen Entscheidung war nicht das Bestehen eines wichtigen Grundes zur Kündigung, sondern die Wirksamkeit einer Vertragsklausel nach den §§ 305 ff . BGB. Eine solche Klausel gab es hingegen im hier zu entscheidenden Fall nicht. Die Entscheidung ist nach Auffassung des Gerichts auch nicht übertragbar, da bei der Prüfung einer unangemessenen Benachteiligung i.S.d. § 307 BGB ein anderer Maßstabzu Grunde zu legen ist als bei der Beurteilung, ob ein wichtiger Grund nach § 314 Abs.1 S. 1 BGB besteht.

 

Dem Ergebnis  steht  auch  nicht  entgegen , dass im  Fall einer  Schwangerschaft  das Bestehen eines wichtigen  Grundes  für  die  Kündigung  eines  Fitnessstudiovertrages bejaht worden  ist  (vgl.  u.a. AG München  vom  09.06.2010  - 251  C  26718/09).  Wie sich  aus  der  vorzitierten  Entscheidung zu  Recht  ergibt,  ist  nicht  abstrakt  auf  das Bestehen   einer   Schwangerschaft    abgestellt   worden ,   sondern   darauf,   ob   der Schwangeren nach dem konkreten Schwangerschaftsverlauf nicht zugemutet werden kann, am Vertrag weiterhin festzuhalten , wobei auf das subjektive Befinden der Schwangeren und nicht auf die medizinische Sicht ankommt. Das AG München hat daneben ausgeführt , dass die Wertsetzung  des Art. 6 Abs. 4 GG zu beachten ist  und . es einer Schwangeren gegen ihr eigenes Körpergefühl  nicht  zugemutet _  werden kann, gegen ihr eigenes Körpergefühl am Vertrag festzuhalten. Bei einer fristlosen Kündigung wegen Schwangerschaft und Krankheit sind - anders als im Falle des Umzugs- weitere Aspekte (Art. 2, 6 GG) mit in die nach § 314 Abs. 1 S. 1 BGB erforderliche Abwägung mit einzubeziehen. Aus diesem Grunde besteht jedenfalls keine rechtliche Vergleichbarkeit. Ein Vergleich auf der Grundlage, wie plötzlich oder unverschuldet der etwaig zur Kündigung berechtigende Umstand eintritt , greift aus diesem Grunde zu kurz.

 

Da kein wichtiger Grund vorliegt , kam es auf die Frage der Kündigungsfrist gern.  § 314 Abs. 3 BGB nicht an.

 

Ein Kündigungsrecht ergibt sich zudem nicht aus § 313 Abs. 3 S. 2 BGB. Auch bei Anwendung der Vorschrift zum Wegfall der  Geschäftsgrundlage  ist  zu  beachten, dass grundsätzlich jede Partei ihre aus dem  Vertrag  ersichtlichen  Risiken  selber trägt. (vgl. BGH vom  11.11.2010 - III ZR 57/10).

 

Eine ordentliche Kündigung war während der Mindestlaufzeit von 23 Monaten nicht möglich bzw. beendete eine solche das Vertragsverhältnis erst zum 31.10.2015.

 

Der Anspruch beläuft sich der Höhe nach auf 585 ,00 €.

 

Die Klägerin macht Beiträge für den Zeitraum Januar 2015  bis Oktober  2015 , mithin für zehn Monate geltend . Gemäß dem Nutzungsvertrag vom 28.11 .2013 (Anlage K 1, BI. 10 d.A.) betrug der Monatsbeitrag 58,50 €. Es wurde ·vereinbart , dass sich der Betrag von zunächst 57,50 € jeweils zum 1. Januar eines Jahres um 0,50 € erhöht. Aufgrund dieser Regelung erhöhte sich der  monatliche Beitrag am  1.1.2014  sowie am 1.1.2015 um insgesamt 1,00 €. Zudem entspricht es der  getroffenen Vereinbarung , dass bei Zahlungsverzug von mindestens  zwei  Monaten  das Entgelt für die gesamte noch ausstehende Laufzeit sofort fällig wird und zu zahlen ist. Aus diesem Grund kann der tenorierte Betrag verlangt  werden.

 

Der Zinsanspruch  beruht auf §§ 286 Abs. 2 Nr. 1, 288 Abs.  1 BGB.

 

Die prozessualen Nebenentscheidungen  beruhen auf §§ 91, 708 Nr. 11, 713  ZPO.

 

Die Berufung ist nicht zuzulassen gewesen, weil die Rechtssache ihre Entscheidung allein aus den Umständen des vorliegenden Falles gefunden hat und somit weder grundsätzliche Bedeutung besitzt oder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordern , § 511 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. Abs. 4 Nr. 1 ZPO.


Der Streitwert wird auf 585 ,00 € festgesetzt.

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