Steuerrecht


Pflicht des Steuerpflichtigen zur Auskunft contra Steuerfahndung

Hess. Finanzgericht, Beschluss vom 10.06.2011 - 9 V 2523/09 -

Gründe:

 

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob eine Außenprüfung unter  Auswertung bereits  überlassener Datenträger fortgesetzt erden darf. 

 

Im Einzelnen liegt dem Rechtsstreit nachfolgender Sachverhalt zugrunde:

 

Nachdem  die geschiedene Ehefrau  des Antragstellers beim Antragsgegner  im November  2008  eine Anzeige  erstattet  hatte,  wonach  ihr ehemaliger Ehemann, der als Metzger  gewerbliche Einkünfte erzielt,  nicht sämtliche Erlöse  in seiner Buchführung erfasst  habe, wurde gegen  den Antragsteller zwar ein Steuerstrafverfahren eingeleitet, ihm jedoch  zunächst  nicht bekannt  gegeben.  Die Bekanntgabe erfolgte erst am 16. März 2009 anlässlich einer beim Antragsteller vorgenommenen Durchsuchung durch die Steuerfahndung... . Im Rahmen dieser Steuerfahndungsprüfung begann auch die Betriebsprüfungsstelle des Antragsgegners mit einer Außenprüfung...

...

Ebenfalls am 16. März 2009 hatte die Betriebsprüfungsstelle des Antragsgegners per Fax den Steuerberater des Antragstellers aufgefordert, bestimmte Unterlagen bei Prüfungsbeginn vorzulegen; insbesondere den Datenzugriff nach GDPdU-Standard auf CD-ROM oder einem entsprechenden Medium vorzubereiten und ggf. vorab zuzusendne. Weiter wurde bei "Nichtvorlage bzw. verzögerter Vorlage" "auf § 146 Abs. 2v Abgabenordnung (Verzögerungsgeld)" hingewiesen. ...

 

Da der Antragsteller der Aufforderung hinsichtlich des Datenzugriffs nicht nachgekommen war, forderte der Betriebsprüfer des Antragsgegners den Antragsteller mit Schreiben vom 27. April 2009 auf, "den Datenzugriff in Form deer datenträgerüberlassung per CD (sog. Z 3 Datenzugriff) bis zum 08.05.2009" vorzulegen. Für den Fall, dass der Datenzugriff nicht bis zu diesem Zeitpunkt vorliegen sollte, wies der Betriensprüfer "bereits jetzt auf die Möglichkeit der Festsetzung eines Verzögerungsgeldes gem. § 146 Abs. 2b AO (ab einer Höhe von 2.500 EUR) hin" (Einzelheiten s. Bl. 25 der BP-Akte). An den Steuerberater des Antragstellers wurde  ein inhaltsgleiches Schreiben übersandt.

 

Am 8. Mai 2009  legte  der jetzige  Prozessbevollmächtigte (P) namens  des Antragstellers gegen  die Androhung (Festsetzung eines  Verzögerungsgeldes) "Be­ schwerde" beim Antragsgegner ein und teilte mit, dass der Antragsteller "zur Vermeidung von wirtschaftlichen Nachteilen" die gewünschten Datenträger dem Antragsgegner überlassen werde. Im Hinblick  auf§ 393 Abs. 1 AO sei die Androhung des Verzögerungsgeldes rechtswidrig und könne  daher  auch nicht genutzt  werden  (vgl.  Bl. 30 der BP-Akte). 

 

Dementsprechend übergab  der Steuerberater des Antragstellers unter Hinweis auf die "Beschwerde" die angeforderte Daten-CD  am 8. Mai 2009  der Be­ triebsprüfungsstelle des Antragsgegners.

 

Auf den Einwand  des Antragsgegners vom 15. Mai 2009 hin, dass mit dem Schreiben vom 27. April  2009 keinesfalls ein Verzögerungsgeld angedroht worden  sei, mithin  insoweit  kein Verwaltungsakte vorliege (zu Einzelheiten s. Bl. 32 f. der BP-Akte), entgegnete P mit Schriftsatz vom 26. Mai 2009,  dass das Schreiben vom 27. April  2009 "bereits im Hinblick  auf die Anforderung mit Fristsetzung" einen Verwaltungsakt beinhalte  (zu Einzelheiten s. Bl. 34 f. der BP- Akte). 

 

Mit Einspruchsentscheidung vom 15. Juni 2009 wies der Antragsgegner den Einspruch "gegen die Aufforderung zur Datenträgerüberlassung im Rahmen des Datenzugriffs nach  §  147 Abs. 6 AO" als unbegründet ab . Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die Einspruchsentscheidung vom 15. Juni  2009 (s. Bl. 37 ff. der BP-Akte). Über die hiergegen  eingelegte Klage  mit dem Aktenzeichen 9 K 1766/09  hat der Senat  noch nicht entschieden.

 

Nachdem  die Betriebsprüfungsstelle des Antragsgegners mit Schreiben vom 27. Juli 2009 dem Antragsteller und seinem  Steuerberater mitgeteilt hatte,  dass nach den "Beschlüssen des Amtsgerichts Wiesbaden" die Betriebsprüfung ab dem 3. August  2009 an Amtsstelle fortgeführt werde (vgl.  BI. 28 f. der BP Akte),  teilte P der Betriebsprüfungsstelle des Antragsgegners mit Schriftsatz vom 30. Juli 2009  unter Hinweis  auf das anhängige  Klageverfahren 9 K 1766 /09 mit, es werde "der Fortführung der Betriebsprüfung ausdrücklich widersprochen" (vgl.  Bl. 69 der BP-Akte).

 

Daraufhin lehnte  die Betriebsprüfungsstelle des Antragsgegners mit Verfügung vom 4. August  2009 die begehrte  Aussetzung der Betriebsprüfung bis zum Ab­schluss  des Klageverfahrens ab. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die Verfügung vom 4. August  2009 (s. BI. 71 ff. der BP-Akte)  Bezug genommen. 

 

Mit dem rechtzeitig eingelegten Einspruch  machte  der Antragsteller geltend, dass im Hinblick  auf das Klageverfahren 9 K 1766 /09 die Betriebsprüfung nicht fortgesetzt werden  dürfe, jedenfalls nicht durch Gebrauch  der unter  Vorbehalt  überlassenen Daten.  Ansonsten  wäre der verfassungsrechtlich geschützte Grundsatz eines  effektiven Rechtsschutzes des Steuerpflichtigen verletzt. Gleichzeitig beantragte der Antragsteller die Aussetzung der Vollziehung des angegriffenen Bescheids (s. Bl. 77 f., 81 der BP-Akte). Der Einspruch wurde mit Einspruchsentscheidung vom 7. September  2009 als unbegründet zurück­ gewiesen. Der Antragsgegner vertrat  hierbei  die Auffassung, dass ernstliche Zweifel  an der Rechtmäßigkeit der Aufforderung zum Datenzugriff nicht be­ stünden  und daher  keine  Aussetzung der Vollziehung zu gewähren  sei (zu den Einzelheiten s. Bl. 82 - 89 der BP-Akte).

 

Am 6. Oktober  2009  beantragte der Antragsteller bei Gericht  die Aussetzung der Vollziehung des Bescheids vom 4. August  2009 in der Fassung  der Ein­ spruchsentscheidungvom 7. September  2009. 

 

Zur Begründung wird  im Wesentlichen Folgendes  vorgetragen: 

 

Das steuerstrafrechtliche Verfahren sei noch nicht  abgeschlossen. Mit der Auf­ forderung zur Datenträgerüberlassung unter Hinweis  auf§ 146 Abs.  2b AO (Verzögerungsgeld) sei auf den Antragsteller unzulässig Druck  i. S. des § 393 AO ausgeübt worden.  Die ihm als Steuerpflichtigen obliegenden Mitwirkungs­ pflichten dürften  gegen  ihn als Beschuldigten nämlich  nicht  zwangsweise durchgesetzt werden.  Ein solches  Verhalten des Antragsgegners verstoße gegen das verfassungsrechtliche Verbot  des Zwangs  zur (möglichen) Selbstbelastuilg. Dementsprechend dürfe  die überlassene Daten-CD  nicht ausgewertet werden. 

 

Hinsichtlich des weiteren Verbringens wird auf die Schriftsätze vom 6. Oktober  2009 (Bl. 21 ff. der Gerichtsakte), 10. Dezember 2009 (Bl. 49 ff. der Gerichtsakte), 24. Januar  2010 (Bl. 64 ff. der Gerichtsakte), 16. März 2010 (Bl. 91 ff. der Gerichtsakte) und 14. Juni 2010 (Bl. 111 ff. der Gerichtsakte) Bezug  genommen. 

 

Der Antragsteller beantragt sinngemäß, 

den Bescheid vom 4. August  2009 in der Fassung  der Einspruchsent­ scheidung vom 7. September 2009 von der Vollziehung auszusetzen, für längstens einen  Monat  nach Ergehen  einer  Entscheidung im Klageverfah­ ren 9 K 1766/09. 

 

Der Antragsgegner beantragt, den Antrag  zurückweisen. 

 

Der Antragsgegner ist unter Hinweis  auf die in der Einspruchsentscheidung vom 7. September 2009  dargelegten Gründe  der Auffassung, dass ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Fortführung der Außenprüfung unter Aus­ wertung des überlassenen Datenträgers nicht  bestünden. Insbesondere weist der Antragsgegner darauf  hin, dass die Aufnahme des Hinweises auf§  146 Abs.  2b AO in die Aufforderung zur Datenträgerüherlassung vom 27. April  2009 keine "Androhung eines  Zwangsmittels i. S. der §§ 328 ff. AO oder eines  zwangs­ ähnlichen Mittels" beinhaltet habe. Die Vorschrift des § 146 Abs.  2b AO gelte auch nach der Eröffnung eines  Steuerstrafverfahrens, da es sich  beim Verzögerungsgeldnicht um ein Zwangsmittel nach den §§ 328 ff. AO handele. Ansonsten hätte  der Gesetzgeber nach Einführung des § 146 Abs.  2b AO die Vorschriftdes § 393 AO entsprechend geändert. Der Hinweis  auf§ 146 Abs.  2b AO sei mit dem Hinweis  auf §' 162 AO vergleichbar. Im Übrigen  enthalte der Datenzugriff nur Daten  und Erkenntnisse, die dem Antragsgegner bereits  durch den Steuerberater als Besteuerungsgrundlagen (insbesondere auch der Gewinn, die Betriebsausgaben und Sonstiges) mitgeteilt worden  seien.  Dementspre­ chend  könne  sich der Antragsteller mit der Einräumung des Datenzugriffs auch nicht  selbst  belasten. Wegen  der weiteren  Einzelheiten wird auf die Schriftsät­ ze vom 15. Oktober  2009 (Bl. 38 ff. der Gerichtsakte), 7. Januar  2010 (Bl.  55 ff. der Gerichtsakte), 2. März 2010 (Bl. 71 ff. der Gerichtsakte), 20. Mai 2010 (Bl.  100 ff. der Gerichtsakte) Bezug  genommen. 

 

Dem Gericht" lagen die den Streitfall betreffende Steuerakte (BP-Akte) sowie die Klageakte 9 K 1766/09  zur Entscheidungsfindung vor. 

 

II.

 

 Der Antrag  ist zulässig, jedoch  nur zum Teil  begründet. 

 

Gemäß  § 69 Abs.2  und 3 FGO soll die Vollziehung eines  Verwaltungsakts aus­ gesetzt  werden,  wenn ernstliche Zweifel  an dessen  Rechtmäßigkeit bestehen. Ernstliche Zweifel  an der Rechtmäßigkeit eines  Verwaltungsakts bestehen, wenn bei seiner  überschlägigen Prüfung  neben  den für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige gegen  die Rechtmäßigkeit sprechende Gründe  zutage  treten,  die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurtei­ lung der Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung der Tatfragen bewir­ ken (vgl.  u.a. Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH--  vom 10. Februar  1967 III B 9/66,  BStBl  III 1967,  182).  Die Tat-  und Rechtsfragen brauchen  nicht abschließend geprüft  zu werden.  Dabei  ist das Aussetzungsverfahren von der Besonderheit gekennzeichnet, dass einerseits nur präsente Beweismittel zu berücksichtigen sind (vgl.  u.a. BFH-Urteile vom 14. Juli 1976 IR 13 8/74, BStBl II 1976, 682; vom 23. Juli 1985 VIII R 210/84, BFH/ NV 1986, 167), andererseits  aber nicht  der volle  Beweis  der behaupteten Tatsachen erbracht werden muss.  Es genügt  vielmehr deren Glaubhaftmachung (vgl.  BFH-Beschluss vom 21. Juni 1972  II B 44/71,  BFHE 112, 74). Die sich aus§ 76 FGO ergebende Verpflichtung des Gerichts, den Sachverhalt von Amts  wegen  zu ermitteln, gilt unter Berücksichtigung dieser  Besonderheiten (nur präsente Beweismittel, nur Glaubhaftmachung) grundsätzlich auch für das Aussetzungsverfahren. Aller­ dings findet  die Ermittlungspflicht --ebenso  wie im Hauptsacheverfahren--  ihre Grenze  dort, wo es sich  um Verhältnisse handelt,  die ohne Mitwirkung des Steuerpflichtigen nicht  oder nur unter unverhältnismäßigen Schwierigkeiten ermittelt werden  können  (Urteil  vom 17. Oktober  1979  IR 74/78,  NV). 

 

Bei Anwendung  der dargesteilten Grundsätze auf den vorliegenden Fall ist die beantragte Aussetzung der Vollziehung nur zum Teil zu gewähren. 

 

Es bestehen  ernstliche Zweifel  hinsichtlich der Fortführung der Außenprüfung nur 'insoweit, als die überlassene Daten-CD  hierbei  ausgewertet werden  soll. 

 

Die Außenprüfung als solche  kann durchgeführt werden.  Grundlage für die Prüfungshandlungen sind  die Prüfungsanordnungen vom 16. und 19. März 2009.

 

Diese Prüfungsanordnungen (§ 196 AO) sind Verwaltungsakte, die mit dem Einspruch(§ 347 AO) angefochten werden  können  (Pahlke/Koenig/Intemann, AO-Kommentar, 2. Aufl.  2009, § 196 Rz. 81). Da eine solche  Anfechtung nicht erfolgt  ist, sind  die Prüfungsanordnungen bestandskräftig geworden. Dement­ sprechend  muss der Steuerpflichtige die Prüfungsmaßnahmen dulden,  und es obliegen  ihm grundsätzlich erhöhte  Mitwirkungspflichten (Pahlke/Koenig/ Intemann,  a.a.O.,  § 193 Rz. 95). Demzufolge kann der Antragsgegner die Au­ ßenprüfung fortsetzen und die am 16. März 2009 durch  die Steufa  beschlag­ nahmten  Unterlagen uneingeschränkt auswerten. 

 

Eine Auswertung der am 8. Mai 2009 überlassenen Daten-CD  ist indes  im Rah-  

 

men der vorliegenden Außenprüfung nicht  möglich.  Insoweit bestehen  ernstliche Zweifel  an der Rechtmäßigkeit der mit Verfügung vom 27. April  2009 erfolgten  Aufforderung zur Datenträgerüberlassung (Einräumung des Datenzugriffs nach § 147 Abs. 6 AO). 

 

Gemäß  § 393 Abs. 1 Satz 1 AO richten  sich die Rechte  und Pflichten der Steu­ erpflichtigen und der Finanzbehörde im Besteuerungsverfahren und im Straf­ verfahren nach den für das jeweilige  Verfahren geltenden Vorschriften; d.h. für das Besteuerungsverfahren gilt die AO, für das Strafverfahren die Strafpro­ zessordnung (StPO).  Beide Verfahren  stehen  von Gesetzes  wegen unabhängig und gleichrangignebeneinander (vgl. z. B. Hellmann  in Hübsch mann /Hepp/Spitaler, Kommentar zur AO und FGO, § 393 AO Rdnr.  11 ff.; 32; BFH-Beschluss vom 19. September 2001  XI B 6/01, BStBl  II 2002, 4 mit zahl­ reichen  weiteren  Nachweisen).

Es ist ferner  höchstrichterlich geklärt,  dass der (beschuldigte) Steuerpflichtige im Besteuerungsverfahren die von der AO  vorgeschriebenen Mitwirkungs­ pflichten zu erfüllen  hat und jede andere  Auffassung zu einer  mit dem Gleich­ heitssatz (Prinzip  der Belastungsgleichheit) unvereinbaren Privilegierung des in ein Strafverfahren verwickelten Steuerpflichtigen führen  würde.  Diese  Auffassung  entspricht der des historischen Gesetzgebers (vgl.  BFH-Beschluss vom 19. September 2001 in BStBl  II 2002, 4). 

 

Der Grundsatz, dass niemand  gehalten  ist, sich selbst  zu beschuldigen ("Nemo­ Tenetur-Grundsatz") ist in erster  Linie ein strafprozessuales Prinzip.  Er sichert den aus Art. 2 des Grundgesetzes (GG) abzuleitenden Schutz  vor Bestrafung. Er befreit  aber nicht von gesetzlich normierten Mitwirkungspflichten im Übrigen. Dies gilt auch für die Mitwirkungspflichten im Besteuerungsverfahren,  deren Erfüllung nach § 393 Abs.  1 Satz 2 AO aber nicht erzwungen werden  kann, wenn damit  eine Selbstbezichtigung verbunden ist (ständige höchstrichterliche Rechtsprechung; vgl.  z. B. BFH-Beschluss vom 28 . Dezember 2006 VIII B 48/06, BFH/NV  2007, 646). 

 

Gemessen an diesen  Voraussetzungen verstößt die Verfügung des Antragsgeg­ ners vom 27. April  2009 gegen  § 393 Abs.  1 Satz 2 AO, mithin  ist eine Ver­ wertung  der Daten-CD unzulässig. 

 

Nach eindeutigem Gesetzeswortlaut sind  Zwangsmittel i.S. des § 328 AO unzu­ lässig,  wenn  der Steuerpflichtige dadurch  gezwungen würde,  sich selbst  wegen einer  von ihm begangenen Steuerstraftat oder Steuerordnungswidrigkeit zu be­ lasten.  Zu den Zwangsmitteln i.S. des § 328 AO gehören  kraft  Gesetzes Zwangsgeld, Ersatzvornahme und unmittelbarer Zwang.  Es handelt  sich inso­weit um --fakultative-- Maßnahmen des Vollstreckungsverfahrens. 

 

Entgegen der Auffassung des Antrags gegners  und einer  in der Literatur vertre­ tenen  Meinung (vgl. Geißler,  Verzögerungsgeld bei Verletzung von Mitwir­ kungspflichten, NWB 2009,  4076, 4078;  Gebbers, Das Verzögerungsgeld nach § 146 Abs.  2b AO in der Außenprüfung -Teil III-, StBp 2009,  196) gehört ebenso  das Verzögerungsgeld nach§ 146 Abs.  2b AO zu den Zwangsmitteln, auch wenn diese  Vorschrift  --eingeführt durch  das Jahresteuergesetz 2009 vom 19. Dezember 2008  (BGBl  I 2008, 2794)--   ni'cht ausdrücklich vom Gesetzge­ ber in §  393 Satz 2 AO (nachträglich klarstellend) aufgenommen worden  ist. Das Verzögerungsgeld nach § 146 Abs.  2b AO ist nämlich  letztlich ein Druck­ mittel  eigener  Art, das auf die besonderen Bedürfnisse des Steuerrechts zuge­ schnitten ist. In seiner  Wirkung  entspricht es einem  Zwangsgeld i. S. des § 329 AO (vgl.  auchRätkein Klein,  AG-Kommentar, 10. Auflage 2009, § 146 Rz. Sb; Dißars  in Schwarz, AO-Kommentar, § 146 Rz. 52). Da das Verbot  der Selbstbelastung ("Nemo-Tenetur-Grundsatz") von so immenser Bedeutung für den Rechtsstaat ist, ist § 393 Satz 2 AO auch auf das Verzögerungsgeld als Druckmittel anzuwenden (vgl.  Dißars,  Verzögerungsgeld nach§  146 Abs.  2b AO - ein neues Sanktionsinstrument der Finanzverwaltung, Stbg 2010, 247, 250). 

 

Der Umstand,  dass der Antragsgegner das Verzögerungsgeld nach§ 146 Abs. 2b AO noch nicht festgesetzt hat, ist in diesem Zusammenhang unbeachtlich. Untersagt  ist nämlich  nicht nur die Anwendung  von Beugemittel, sondern  be- reits deren Androhung (Hellmann  in Hübschmann/Hepp/Spitaler, a.a.O., § 393 AO Rz. 72).  Die Verfügung vom 27. April 2009 beinhaltet nach dem objekti­ ven Erklärungswer.t (Empfängerhorizont) mit dem Hinweis  auf das Verzöge­ rungsgeldnach § 146 Abs. 2b AO bereits  eine solche  Androhung. 

 

Entgegen  der Auffassung des Antragsgegners kann sich der Antragsteller mit der Einräumung des Datenzugriffs sehr wohl selbst  belasten. Insbesondere handelt  es sich beim Datenzugriff nicht nur um Daten  und Erkenntnisse, die der Antragsteller bereits  als Besteuerungsgrundlage dem Antragsgegner mitge­ teilt hatte.  Der Datenzugriff erstreckt  sich nämlich  auf alle solche Daten,  die mit Hilfe eines  Datenverarbeitungssystems erstellt  worden  sind (vgl.  § 147 Abs. 6 AO). Mit umfasst  sind damit alle gespeicherten Daten  einschließlich der Stammdaten (z. B. je nach eingesetztem Buchführungssystem: Mandant,  Kun­ de, Kontoart, Kundennummer), Bewegungsdaten (z. B. Buchungskreis, Beleg­ und Geschäftsnummer) und Verknüpfungen (Gebbers,  Das Verzögerungsgeld nach§ 146 Abs.  2b AO in der Außenprüfung -Teil  II-, StBp 2009,162  f.). Die­ se Daten  bzw. Vorgänge  sind jedoch gerade nicht zuvor  im Besteuerungsver­ fahren dem Antragsgegner zur Verfügung  gestellt  worden. 

 

Nach alledem  ist die Auswertung  der Daten-CD  nicht zulässig  und insoweit  der Aussetzungsantrag erfolgreich. 

 

Die Kostenfolge ergibt  sich aus § 136 Abs. 1 Satz 1 FGO.