Das Amtsgericht hatte der Klage der Geschädigten noch stattgegeben, die zusammen mit Dritten und ihrem Hund das Grundstück des beklagten betrat, auf dem sich frei laufende Hunde des Beklagten befanden. Einer dieser Hunde griff den Hund der Klägerin an und verletzte ihn erheblich. Es sah eine Haftung des beklagten aus der Tierhalterhaftung nach § 833 Satz 1 BGB als gegeben an.
Auf die Berufung des beklagten wurde die Entscheidung des Amtsgerichts vom LG Frankenthal abgeändert und die Klage abgewiesen. Das Landgericht stellte darauf ab, dass sich der Vorfall auf dem Grundstück des Beklagten ereignet habe und die Klägerin und ihre Begleitung dort nicht angemeldet werden, sie vielmehr nur aus Neugierde den Hof betrat, bei dem sie aus Zeiten des Vorbesitzers noch wusste, dass dort irgendwo Pferde zu sehen wären. Der Beklagte hat aber gegenüber unberechtigt sein Grundstück betretende Personen keine Verkehrssicherungspflicht. Da auch durch Schilder vor Hunden auf dem Hof gewarnt wurde, läge ein Verschulden der Klägerin vor, welches die reine Gefährdungshaftung des Beklagten jedenfalls verdränge.
LandgerichtFrankenthal (Pfalz)
IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
In dem Rechtsstreit
XXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXX
-Bekfagter und Berufungskläger-
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte Niehus & Ruppel,.Gerbermühlstraße 9, 60594FrankfurtamMain
gegen
XXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXX
-Klägerin und Berufungsbeklagte-
Prozessbevollmächtigte: RechtsanwälteXXXXXXXXXXXXXXXXX,XXXXXXXXXXXXXX,67346Speyer
wegen· Schadenersatzes
hat die 2.Zivilkammer
des Landgerichts Frankenthal(Pfalz)durch den Vorsitzenden Richter am Landgericht Nixdorf,
den Richter am Landgericht Buchmann und die Richterin am Landgericht
Malchus
_
·
auf die mündliche Verhandlung vom 14. August 2013
für Recht erkannt:
I. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Speyer vom 19.11.2012 (31 C 47/12) unter Aufhebung im Kostenpunkt geändert:
DieKlage.wirdabgewiesen.
II. Die Kosten beider Rechtszüge trägt die Klägerin.
III.
Der Streitwert des Berufungsverfahrens beträgt 892,59
€.
Gründe
Zur Darstellung des Sachverhalts kann auf die tatsächlichen Feststellungen im ange fochtenen Urteil gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen werden, die das Amtsgericht in nicht zu beanstandender Weise getroffen hat.
...
In der Sache führt die zulässige Berufung auch zum Erfolg.
Der Klägerin steht gegen den Beklagten kein Schadenersatz·anspruch wegen. der Heilbehandlung ihres Hundes aufgrund der erlittenen Verletzung durch den frei umher laufenden Hund des Beklagten zu. Aufgrund des weit überwiegenden Anteils an der Verursachung des Schadens durch das schuldhafte Verhalten der Klägerin gegenüber der bloßen Gefähtdungshaftung des Beklagten aus: § 833 Satz 1 BGB scheidet eine Haftung des Beklagten aus.
Zwar haftet der Beklagte aus § 833 Satz 1 BGB,·weil es sich bei dem angreifenden Hund des Beklagten nicht um ein Nutztier im Sinne von § 833 Satz 2 BGB handelt. Diese reine Tierhalterhaftung wird vorliegend jedoch durch das weit überwiegende mitwirkende Verschulden der Klägerin verdrängt.
Denn die Klägerin hat schuldhaft diejenige Sorgfalt außer Acht gelassen, die ein ver ständiger Mensch in der vorliegenden Situation gegenüber fremden Hunden beachtet, um sich vor Schaden zu bewahren.
Die Klägerin hat unter Missachtung des Schildes „Privatgrundstück, Unbefugten ist der Zutritt verboten!" das Grundstück des Beklagten betreten und somit dessen Willen, unberechtigte Besucher von seinem Privatgelände fernzuhalten, bewusst missachtet. Die Klägerin gehörte nicht zu dem Kreis der Befugten, da sie zu damaligem Zeitpunkt kein Reitangebot des Beklagten wahrnehmen wollte. Aufgrund des weiteren Warn schildes „Warnung vor dem Hund" war der Klägerin darüber hinaus bewusst, dass sich auf diesem Grundstück zumindest ein Hund befindet und dass es sich dabei um einen frei laufenden Hund handeln muss, anderenfalls dieses Schild keinen Sinn machen würde . Indem die Klägerin· unter Mitführung ihres Hundes das Privatgelände ohne vor herige Ankündigung betrat, trug sie ein ganz erhebliches Gefährdungspotential in das Geschehen hinein.. Der Klägerin musste als Hundebesitzerin bewusst sein, dass der Hund des. Beklagten aggressiv auf einen Eindringling reagieren und damit beginnen würde, seif.1en Herrschaftsbereich gegen unerwarteten Besuph durch . einen Artgenos sen zu verteidigen.
Nicht gefolgt werden kann dem Erstrichter insbesondere darin , dass die Tiergefahr des weitaus größeren Hundes · diejenige des Yorkshire Terriers .der Klägerin bei weitem überwiege. Dabei kann nämlich nicht alleine auf die Größenverhältnisse abgestellt werden. Entscheidend ist vielmehr , dass gerade von dem Hund der Klägerin, der ·in das Revier des Hundes des Beklagten eingedrungen ist; ein ganz erhebliches Reizpotential ausging. Für den Hund des Beklagten galt es, sein Revier gegenüber dem Ein dringling, unabhängig von dessen Größe, zu verteidigen. Die Größenverhältnisse des Eindringlfngs sind bei der Frage des Umfangs der „Handluri·gsaufforderung " von unter geordneter Bedeutung . Der Revierverteidigungsdrang besteht besonders gegenüber einem eindringenden Artgenossen. Deshalb kann vorliegend auch nicht etwa .dahin gehend argumentiert werden, dass infolge des Betriebs eines Reiterhofs der Beklagte verpflichtet gewesen wäre , seinen Hund einzusperren oder anzuleinen . .Denn ein Ge fährdunQspotential für den Kreis der Reitkunden, zu denen die Klägerin und ihre Be gleiter allerdings unstreitig nicht gehörten, bestand nicht. Der Hund des Beklagten hat lediglich den Hund der Klägerin angegriffen, nicht aber anwesende Personen.
Dass außerdem zum Zeitpunkt des Vorfalls kein Reitbetrieb stattfand, hat der Beklagte im Rahmen der Berufung vorgetragen, ohne dass die Klägerin dem substantiiert ent gegengetreten wäre . Es wird lediglich vorgetragen , dass die Hunde des Berufungsklä gers zum Zeitpunkt des streitgegenständlichen Vorfalls keineswegs sicher verwahrt gewesen wären, unabhängig davon, ob zum fraglichen Zeitpunkt gerade Publikums verkehr geherrscht habe oder nicht, weil auf dem Grundstück des Berufungsklägers grundsätzlich Publikumsverkehr herrsche. Auch das Urteil spricht insoweit lediglich von „generell regem Publikumsverkehr".
Auch dem Umstand, dass das Tor offenstand, kommt vorliegend keine Bedeutung zu. Der Beklagte hat durch das Anbringen des Schildes
hinreichend zum Ausdruck gebracht, dass er zum einen mit dem Betreten seines Privatgrundstücks durch Unbefug te nicht einverstanden ist und zum anderen sich
dort auch ein Hund befindet, vor dem gewarnt werden müsse. Er musste auch nicht etwa das Tor zu seinem Gelände ver schließen, um ein
Entweichen seines Hundes zu verhindern , denn ein solches ist hier nicht erfolgt. Der Hund des
Beklagten hat sein Revier nicht verlassen . Das durch das Nichtverschließen des
Tores bedingte Risiko eines Entweichens hat sich gerade nicht verwirklicht. Daher ist
die Verletzung des Hundes der Klägerin maßgeblich darauf zu rückzuführen, dass sie unter Missachtung der Beschilderung das Grundstück des Be klagten betrat. Dies durfte sie ohne Voranmeldung
und ohne dem Beklagten die Möglichkeit zu geben, seine Hunde wegzusperren, nicht tun.
Soweit der Erstrichter auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 3.5.2005 (VI ZR -238/03) Bezug nimmt, kann diese Entscheidung nicht auf den vorliegenden Sach verhalt übertragen werden. Dort ging es um eine gänzlich anders gelagerte Fallkons tellation. Dort war dem Beklagten der Besuch des Klägers angekündigt und der Be klagte ·demgemäß in der Lage, seine Hunde zu beaufsiichtigen bzw. Sicherungsvor kehrungen zu treffen. Diese Möglichkeit hatte der Beklagte vorliegend mangels Kennt nis. gerade nicht.
Da die Klägerin durch ihr Verhalten sich selbst bzw. ihren Hund in grober Weise selbst gefährdete, entfällt bei der gebotenen Haftungsabwägung zwischen der bloßen Gefährdungshaftung auf Seiten des Beklagten und dem schuldhaften Verhalten er Klä gerin die aus der Tiergefahr resultierende Gefährdungshaftung auf Seiten des Beklagten vollständig (vgl. auch OLG München, Urteil vom 5.10.2009, 14 U 1010/99) .
In Ermangelung eines Hauptanspruchs schuldet der Beklagte auch keine vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten.
Demgemäß war auf die Berufung des Beklagten das Urteil mit der Kostenfolge aus § 91 Abs. 1 ZPO im Sinne einer Klageabweisung abzuändern .
N i x d o r f B u c h m a n n M a l c h u s