Fitnessstudio-Vertragsrecht


Keine Kündigung bei Realisierung einer Vorerkrankung

AG Offenbach, Urteil vom 20.10.2015 - 30 C 121/15 -

Bild: pixabay
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Der Beklagte schloss mit der Klägerin am 20.10.2014 einen Vertrag zur Nutzung deren Fitnessstudio. Nach seinen eigenen Angaben im Rahmen seiner informatorischen Anhörung litt er bereits vor dem Vertragsschluss an Rückenproblemen, insbesondere auch im Bereich der LWS. Wegen Entzündung von Weichteilen der Bandscheibe habe er sich auch in 2012 2 Operationen unterziehen müssen; unmittelbar vor dem Vertragsabschluss sollen sogar erneut Rückenprobleme aufgetreten sein. Zur Linderung habe er nach seinen Angaben bei der Klägerin seine Rückenmuskulatur stärken wollen.

 

Das Amtsgericht leitet daraus folgerichtig ab, dass sich bereits vor Vertragsschluss ein Risiko verwirklichte, auf Grund dessen der Beklagte das Angebot der Klägerin nicht würde nutzen können. Die Möglichkeit der fehlerhaften Einschätzung der eigenen gesundheitlichen Situation durch den Beklagten schloss dabei das Amtsgericht nicht aus. Dies würde aber nichts an dem von ihm selbst übernommenen Risiko ändern.

 

Anm.: Das Amtsgericht ist in seiner Entscheidung von einer Vorerkrankung des Nutzers ausgegangen, die sich dann (weiter) realisierte. Zwar will es auch noch zu Gunsten des Nutzers annehmen, dass dieser seine gesundheitliche Situation falsch einschätzte, indem er der Auffassung war, dass ein Training seine Rückenprobleme beseitigen bzw. lindern können. Richtig wird aber auch vom Amtsgericht erkannt, dass dies auch mit zur Risikosphäre des Nutzers gehört, die dieser nicht verlagern kann. Die Fehlentscheidung in Ansehung der gesundheitlichen Beeinträchtigung kann nicht mehr als Kündigungsgrund angenommen werden, da dies gegen § 242 BGB verstoßen würde: Der Nutzer hat für sich eine Risikoentscheidung getroffen, an der der Betreiber des Fitnessstudios  nicht beteiligt war. Dann kann aber diese Fehlentscheidung nicht im Nachhinein als Kündigungsgrund genutzt werden. Die Nichtverwirklichung eines bestehenden gesundheitlichen Risikos war insbesondere auch mangels Kenntnis der Klägerin nicht gemeinsame Geschäftsgrundlage. 

 

 


 

 

Im Namen des Volkes

 Urteil

 

 

In dem.Rechtsstreit

 

 

XXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXX

Klägerin

 

Prozessbevollmächtigte : Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte Niehus u. Koll., Gerbermühl­ straße 9, 60594 Frankfurt

·     Geschäftszeichen: 106/15N01 / n/pr

 

gegen

 

XXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXX             Beklagter

 

Prozeßbevollmächtigte: XXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXX

 

hat das Amtsgericht Offenbacham Main durch den w. a. Richter am Amtsgericht Gimmler aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 20.10 .2015 für Recht erkannt:

 

1.     Das Versäumnisurteil des Amtsgerichts Offenbach am Main vom 11.08.2015 bleibt aufrecht erhalten.

2.      Der Beklagte trägt die weiteren Kosten des Rechtsstreits.

 

3.      Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar .

Der Beklagte darf die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe

von 110 % des aufgrund des Urteils zu vollstreckenden Betragsabwenden, wenn nicht dieKlägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leis-

tet.

  

 

Tatbestand

 

 

Die Klägerin betreibt ein Sportstudio in XXXXXXXXXXX . Unter dem 20.10.2014 schloss derBeklagte mit derKlägerin einen Nutzungsvertrag mit einer Laufzeitvon 12 Monaten ab. Der wöchentlich zu entrichtende Beitragsollte im Jahre2014 16,53 EUR und ab dem 01.01.201516,82 EUR betragen.Wegen des weiteren Vertragsinhalts wird auf den     Nutzungsvertrag vom 20.10.2014(BI. 15 d. A.) Bezug genommen. Der Beklagte leistete von Beginn an, auch auf Mahnungen der Klägerin und ihrer anwaltlichen Vertretung hin, keine Beiträge an die Klägerin. Die Klägerin verlangt für den Zeitraum 20.10.2014 - 19.10.2015 die vereinbarten Beträge in Höhe von insgesamt 874,14 EUR. Mit Versäum­ nisurteil vom 11.08.2015 wurde der Beklagte antragsgemäß verurteilt , an die Klägerin 874,14 EUR nebst Zinsen sowie 126,50 EUR vorgerichtlichen Kosten zu zahlen. Gegen das ihm am 21.08.2015 zugestellte Versäumnisurteil  hat der Beklagte mit am 04.09.2015 bei Gericht eingegangenem  Schreiben Einspruch eingelegt.

Die Klägerin beantragt, das Versäumnisurteil vom 11.08.2015 aufrecht zu erhalten.

 

Der Beklagte beantragt, das Versäumnisurteil vom 11.08.2015 aufzuheben und die Kla­ ge abzuweisen .

Der Beklagte behauptet, den Nutzungsvertrag am 15.10.2015 fristlos gekündigt zu ha­ ben. Er habe am diesem Tag ein Kündigungsschreiben nebst einem Attest des Facharztes für Nurochirugie Dr. XXXXXXXXXXX, hinsichtlih dessen Inhalt auf Bl. 30 d.A. verwiesen wird, im Spartstudio der Klägerin abgegeben. Erst nach vertragsbeginn habe er einen Bandscheibenvorfall im Bereich der Lendenwirbelsäule erlitten und habe sich deswegen am 25.11. und 28.11.2014 Operationen im Lendenwirbelbereich unterziehen müssen. Danach sei er bis heute nicht mehr zur Nutzung der Sporteinrichtung der Klägerin in der lage gewesen.

 

 

Wegen des weiteren Parteivortrags wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anla­ gen Bezug genommen .  


Entscheidungsgründe

 

 

Dr zulässige Einspruch des Beklagten gegen das Versäumnisurteil hat in der Sache keinen Erfolg. Der Beklagte schuldet die zuerkannte Vergütung aus dem zwischen den Parteien unter dem 20.10.2014 geschlossenen Nutzungsvertrag. Das Vertragsverhältnis wurde nicht durch eine außerordentliche Kündigung des Beklagten am 15.12.2014 be­ endet Dabei kann dahinstehen , ob der Beklagte am 15.12.2014 gegenüber der Klägerin überhaupt eine Kündigungserklärung abgegeben hat oder nicht. Denn es fehlt an einem wichtigen  Grund i. S. des § 314 BGB. Zwar kommt als wichtiger  Grund grundsätzlich eine Erkrankung in Betracht, durch welche eine Nutzung der Einrichtung des Sportstu­  dios dauerhaft ausgeschlossen wird.  Dies gilt allerdings  nur, wenn die Erkrankung für den Nutzer des Sportstudios unerwartet während der Vertragslaufzeit auftritt. Wer in Kenntnis einer Vorerkrankung einen längerfristigen Nutzungsvertrag abschließt über­ nimmt bzw. trägt das Risiko, dass er die Leistungen nicht bzw. nicht vollständig in An­ spruch nehmen kann. Nach den eigenen Bekundungen des Beklagten im Rahmen sei­   ner informatorischen Anhörung litt dieser bereits vor dem Vertragsabschluss mit der Klägerin unter Rückenproblemen , insbesondere im Bereich der Lendenwirbelsäule . Er musste sich wegen einer Entzündung der Weichteile der Bandscheiben im Bereich der Lendenwirbelsäule im Jahre 2011 2 Operationen unterziehen. Unmittelbar vor Vertrags­ abschluss traten beim Beklagten wieder Rückenbeschwerden auf. Um diese zu lindern bzw. zu beseitigen wollte er durch ein Training bei der Klägerin seine Rückenmuskulatur stärken. Vor diesem Hintergrund hat sich das bereits vor Vertragsabschluss mit der Klä­ gerin bestehende und vom Beklagten eingegangene Risiko wegen seiner Rückenleiden  die Angebot der Klägerin während der Vertragslaufzeit nicht, bzw. nicht vollständig wahrnehmen  zu können, realisiert. Dass der  Beklagte seine gesundheitliche  Situation bei Vertragsabschluss  möglicherweise unzutreffend eingeschätzt  hat, vermag  nichts daran zu ändern, dass der Beklagte das Risiko trägt, aufgrund seiner Rückenerkran­  kung die Einrichtungen der Klägerin nicht nutzen zu können. Nachdem der _ Beklagte  mehr als 8 Wochen mit seinen Beiträgen (2 Monatsbeiträge) in Zahlungsverzug  geraten ist, wurden sämtliche Beitragsforderungen bis zum Ende der vereinbarten Vertragslauf­ zeit fällig . Die entsprechende Gesamtfälligkeitsklausel in dem Nutzungsvertrag ist wirk­ sam und beinhaltet insbesondere keine unangemessene  Benachteiligung des  Beklagten i.S. des § 307 BGB. Die geltend gemachten vorgerichtlichen Anwaltskosten , Mahnkosten und Zinsen sind aus dem Gesichtspunkt des Verzuges erstattungsfähig . Unabhängig davon, ob die Klägerin die Anwaltskosten bereits ausgeglichen hat oder nicht, steht ihr ein ent­ sprechender Zahlungsanspruch zu. Denn da der Beklagte die Anwaltskosten trotz Frist­ setzung nicht ausgeglichen hat, hat sich der ursprünglich bestehende Freistellungsan­ spruch in einen Zahlungsanspruch umgewandelt (§ 250 BGB). 

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91, 344 ZPO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit findet seine Grundlage in §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

 

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