Fitnessstudio-Vertragsrecht


Kein Kündigungsrecht auf Grund bei Vertragsabschluss bekannter Krankheit

AG Offenbach, Urteil vom 08.05.2015 und 14.08.2015  - 39 C 249/14 -

Das AG Offenbach schließt eine fristlose Kündigung des Vertrages mit einem Fitnessstudio aus, wenn der Kündigungsgrund der krankheitsbedingten Verhinderung bei Abschluss des Vertrages bekannt war. Dieser war für den Nutzer jedenfalls zum Zeitpunkt des Neuabschlusses des Vertrages bekannt gewesen. Die Berufung wurde vom Amtsgericht im Hinblick auf entsprechende Rechtsansichten sowohl des LG Frankfurt/M. als auch des LG Darmstadt nicht zugelassen.

In einem weiteren Urteil in diesem Rechtsstreit (ergangen auf Grund einer berechtigten Rüge nach § 321a ZPO durch den Beklagten) wies das Amtsgericht auch die Einlassung des Beklagten zurück, er habe nicht mit dem Wiederauftreten von Beschwerden nach erfolgter Behandlung rechnen müssen. Selbst wenn man nur  von einer geringen Wahrscheinlichkeit des Wiederauftretens der Beschwerden hätte ausgehen können, so wäre dies nicht ausgeschlossen. Selbst für den Fall einer Fehlinformation durch den behandelnden Arzt, könne dies nicht zu Lasten des Studiobetreibers gehen, der am allerwenigsten in der Lage wäre, hier Prognosen zu treffen.

Aus den Gründen:

 

...

hat das Amtsgericht Offenbach am Main durch den Richter am Amtsgericht Bernard aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 01.04.2015 für Recht erkannt:

 

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 474,86 zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen gesetzlichen Basiszinssatz·aus jeweils 13,85 seit dem 12.08.2017, 19.08.2014, 26.08.2014, 02.09.2014, 09.09.2014,16.09:2014, 23.09.2014, und dem 30.09.2014 sowie aus 364,06 € seit dem 07.10.2014 zu zahlen.

 

Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

 

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Der Streitwert wird auf 474,86 € festgesetzt.

 

Tatbestand

 

Dessen Darstellung bedarf es gemäß § 313a Abs.  1 ZPO nicht, weswegen  sie auf Folgendes

beschränkt wird: 


Die Parteien erstmals am 04.10.2010 einen Vertrag über die Nutzung des Fitnessstudios der Klägerin mit einer Laufzeit von 24 Monaten und einem monatlichen Beitrag von 16,83 € ab­schlossen.

 

Im Jahre 2011 unterzog sich der Beklagte Operationen im Handgelenkbereich beider Hände. Zuvor  hatte er an erheblichen  Schmerzen  in den Handgelenken  gelitten.

 

Am 08.04.2013 schlossen die Parteien einen neuen Nutzungsvertrag mit einer Laufzeitvon 24 Monaten und einem monatlichen Beitragvon (nur noch) 13,85 und einem kleineren Leis­tungsangebot,  der den noch laufenden Vertrag vom 04.10.201O   ersetzte.

Der Hausarzt des Beklagten, Herr Dr.  med. XXX XXX. äußerte in einem Attest vom 25.06 .2014 (BI. 21 d. A.) , dem Beklagten sei wegen neu aufgetretener Gelenkentzündungen eine weitere sportliche  Betätigung  nicht mehr möglich.

 

Der Beklagte sprach daher mit Schreiben vom 08.07.2014 (BI. 20 d. A.) die fristlose Kündi­gung des Vertrags aus.

 

In einem weiteren Attest vom 23.08.2014 (BI. 31 d. A.) äußerte Herr Dr. med.XXX, auch nach Operationen im Jahre 2011 hätten entzündliche Handgelenkserkrankungen beidseits beim Beklagten immer wieder zu Arbeitsunfähigkeitszeiten  geführt. Eine Belastung der  Handgelen­ke müsse unbedingt vermiedenwerden. Um eine Verschlimmerung der Erkrankung mit weite­ren Arbeitsunfähigkeitszeiten und eventuellen erneuten Operationen zu verhindern , solle eine sportliche Betätigung  im Fitnessstudio  (Training mit Gewichten,  Übungen zum Muskelaufbau mit Gelenkbelastung)  auf nicht absehbare  Zeit unterbleiben.

 

Entscheidungsgründe:

 

Die Klage ist zulässigund begründet. ·

 

Kläger hat Anspruch auf die Zahlung von 474,86 aus dem zwischen den Parteien unstreitig zustande gekommenen Vertrag über die Nutzung des von der Klägerin betriebenen Fitness­studios. Hieraus steht der dem Kläger eine Vergütung auch für den Zeitraum vom 11.08.2014 bis zum 07.04.2015 zu. Denn vor dem 07.04.2015 wurde der Vertrag nicht beendet. Die vom Beklagten mit Schreibenvom 08.07.20-14 erklärte Kündigung (BI. 10 d. A.) zeigte vor dem 07.04.2015 keine Wirkung.

 

Der Nutzungsvertrag galt für den Zeitraum von 24 Monatenund war somitfür einen bestimm­ten Zeitraumabgeschlossen , weswegen ein ordentliches Kündigungsrecht nicht bestand(vgl. § 542 Abs. 2 BGB, § 611 Abs.  1 BGB). Die Vereinbarung einer Vertragslaufzeit von 2 Jahren ist auch als allgemeine Geschäftsbedingung  wirksam (BGH, Urteil vom 08.02.2012 - XII ZR 42/10 -, Rn. 19 ff., juris).

 

Das Recht eineraußerordentlichen fristlosen Kündigungdes Vertrags stand der Beklagten nicht zu, da der hierfür erforderliche wichtige Grund nicht gegebenwar (vgl. § 314 Abs . 1 BGB).

 

Ein wichtiger Grund zur Kündigungeines Dauerschuldverhältnisses  liegt vor, wenn dem kün-­ digenden Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der beiderseitigen Interessendie Fortsetzung des Vertragsverhältnisses  bis zur vereinbarten Be­ endigung oder bis zum Ablauf einer Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Dies ist in der Regel der Fall, wenn einem der Vertragspartner  aus Gründen, die nicht in seinem Verant­ wortungsbereich  liegen, eine weitere  Nutzung der Leistungen des anderen Vertragspartners nicht mehr zumutbar ist (BGH, Urteil vom 08.02.2012 - XII ZR 42/10 -, Rn. 30, juris) .

 

Dies ist im Allgemeinen nur dann anzunehmen, wenn die Gründe, auf die die Kündigung ge­ stützt wird, im Risikobereich des Kündigungsgegners liegen. Wird der Kündigungsgrund hin­ gegen aus Vorgängen  hergeleitet, die dem  Einfluss des  Kündigungsgegners  entzogen  sind


und aus der eigenen Interessensphäre des Kündigenden herrühren, rechtfertigt dies nur in Ausnahmefällen  die fristlose  Kündigung. Die Abgrenzung  der Risikobereiche  ergibtsich dabei aus dem Vertrag , dem Vertragszweck  und den anzuwendenden  gesetzlichen  Bestimmungen (BGH, Urteil vom  11.11.2010 - III ZR 57/10 -, Rn. 9, juris) .

 

An diesen Grundsätzen gemessen, lag ein wichtiger Grund, welcher den Beklagten zur fristlo­sen Kündigung des Nutzungsvertrags Juli 2014 berechtigt hätte, nicht vor. Das Bestehen ei­nes Kündigungsrechts setzt danach .voraus, dass der Grund, den der Kündigende für seine Kündigung anführt, nicht in seinem eigenenVerantwortungsbereich  liegt. Hier liegt es aber nach Einschätzung des Gerichts so, dass das Risiko des Wiederauftretens von Schmerzen in den Handgelenken des  Beklagten eindeutig  in dessen eigenen Verantwortungsbereich  lag, da er sich mit dem nach dem 08.04.2013 praktizierten Kraftsport trotz Kenntnisseiner medizini­schenVorgeschichte den Gefahren einer hohen Gewichtsbelastung seiner Handgelenke aus­ setze.

 

Maßgeblicher Zeitpunktist der 08.04.2013 , da die vom Beklagten ausgesprochene Kündi-­ gungserklärung sich auf den am 08.04.2013 geschlossenen zweiten Vertrag mit der Klägerinbezog.

 

Es kann dahingestellt bleiben, ob der Beklagte dann zur fristlosen Kündigung berechtigt wäre, wenn die Erkrankung seiner Handgelenke, welche ihm das Trainieren  mit Gewichten etc. ge­mäß den Angaben  seines  Hausarztes verbietet , nach dem Abschluss  des zweiten Vertrags vom 08.04.2013 für ihn vollkommenunerwartet und schicksalshaft eingetreten wäre. Denn so liegt es hier auch nach den vom  Beklagten selbst vorgetragenen  Tatsachen    nicht.

 

Der Umstand, dass der Beklagteschon vor den Operationen, denen er sich im Jahr 2011 un-­ terzog, unter Schmerzengelitten hatte, indiziertvielmehr, dass am 08.04.2013 durchausAn­lass zu der Befürchtung bestand, es könne zum erneuten Auftreten solcher Schmerzen  kommen. Der Beklagte hat auch nicht nachvollziehbar dargelegt, dass das Stattfinden der ge­nannten Operationen eine ganz andere Prognose berechtigt hätte. Im Gegenteil dürfte das Stattfinden einer Operation an Handgelenken für sich genommen schon Anlass zu der Be­fürchtung  geben, dass  deren  Belastung mit Gewichten sich gesundheitlich  nachteilig auswir­ken könnte. Wenn  es aber für  den  Beklagten  bei nüchterner  Einschätzung seiner Situation nicht fernliegend war, hinsichtlich einer besonderen Belastung seiner Handgelenke durch Kraftsport besonders vorsichtig zu.agieren, dann wäre es auch nicht interessengerecht, das finanzielle Risiko, dass er trotzdem mit dem Abschluss  eines zweijährigen  Fitnessstudiover­trags eingegangen ist, auf die Klägerin abzuwälzen, die über die gesundheitliche Situation des Beklagten jedenfalls  schlechter aufgeklärt  gewesen  ist, als der  Beklagte selbst.

 

Dass die Parteien bereits im Jahre 2010 einen ersten Nutzungsvertrag  abgeschlossen  hatten, ist unerheblich. Es stand dem Beklagten am 08.04.2013 frei, einen Vertrag mit einer kürzeren Laufzeit  abzuschließen  oder  einen  neuen Vertragsschluss gänzlich  zu unterlassen.

 

Die Höhe der geltend  gemachten  Hauptforderung  wurde  schlüssig dargetan.

 

Die tenorierten Zinsansprüche der Klägerin bestehenauf Grundlage von §§ 288 Abs. 1, 286 BGB.

 

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Voll­ streckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 711, 713.

 

Die Berufung war trotzdes Antrags der Beklagtenseite nicht zuzulassen ,da keiner der in

§ 511 Abs. 4 Nr. 1 ZPO genannten Gründe vorliegt. Insbesondere eine einheitliche Recht­sprechung besteht für Fälle wie den vorliegenden bereits. Die vom erkennenden Gericht vor­genommene Bewertung entspricht derjenigen  in den klägerseits vorgelegten  Entscheidungen der Landgerichte Frankfurt (Hinweisbeschluss vom 22.09.2010 . Az. 2-16 S 136/10: Urteil vom 09.05.2012 , Az. 2-16 S 210/11) und Darmstadt (Hinweisbeschluss vom 23.08 .2010, Az. 6 S 111/10), welche  ebenfalls  Fälle betrafen, in welchen  gesundheitliche  Beschwerden  des Kündigenden dem Vertragsschluss bereits vorausgegangen waren. Die seitens des Beklagten zitierte Entscheidung des Amtsgerichts München (vom 12.06.2013 zum Az. 113 C 27180/11) betrifft hingegen einen Fall, in welchem bei Vertragsschluss für die später eintretende Erkran­ kungüberhaupt keine Anzeichen vorhanden waren, da es sich um einen Fahrradsturz handel­te.

 

 

Urteil in der Sache nach berechtigter Rüge gem. § 321a ZPO


Tatbestand

 

Dessen Darstellung  bedarf es gemäß  § 313a Abs.  1 ZPO nicht.

 

Entscheidungsgründe

 

Die Klage ist zulässig  und begründet.

 

Zur  Begründung der Entscheidung  in der Hauptsache und der  Kostenentscheidung  wird  auf die Entscheidungsgründe  des Urteils vom 08.05 .2015 (BI. 83 - 86 d. A.)  Bezug genommen . Der Vortrag des Beklagten mit Schriftsätzen vom 27 .05.2015 und vom 30.07 .2015 rechtfertigt keine davon abweichende Entscheidung . Das Gericht erkennt in den vom Beklagten vorge­ tragenen Tatsachen  nach wie vor  keinen wichtigen  Grund. welcher den Beklagten berechtigt hätte, den mit der  Klägerin am 08.04.2013 geschlossenen  Vertrag zu kündigen (vgl. § 314   Abs . 1 BGB). Nach der Rechtsauffassung des erkennenden Gerichts würde ein zur fristlosen Kündigung berechtigender wichtiger  Grund allenfalls dann vorliegen , wenn das im Attest des  Dr. med. Buhr vom 25 .06.2014 (BI. 21 d. A.) erwähnte Wiederauftreten von Gelenkentzün­ dungen für den Beklagten am 08.04.2013 vollkommen  unvorhersehbar  gewesen wäre.  Dies war jedoch nicht der Fall. Schon der Umstand, dass die Beschwerden im Juni 2014 wieder aufgetreten sind, indiziert, dass am 08.04.2013 eine belastbare Prognose, deren Wiederauf­ treten sei ausgeschlossen , nicht getroffen werden könnte. Selbst wenn die Wahrscheinlichkeit eines Wiederauftretens der Beschwerden im April 2013 noch gering gewesen sein sollte , wür­ de dies nichts daran ändern können, dass der Beklagte damit rechnen musste, dass solches passieren könnte. Selbst wenn der Beklagte im April 2013 von seinen Arzten über das Risiko  des Wiederauftretens der Erkrankung fehlinformiert worden sein sollte , könnte dies nicht dazu führen, dass er dieses Risiko auf die Klägerin abwälzen könnte, die am allerwenigsten die Möglichkeit  hatte, diesbezüglich  eine Prognose zu treffen, aber ein berechtigtes  Interesse daran hat, mit der Erfüllung bereits abgeschlossener Verträge kalkulieren zu können. Der  streitige Sachvortrag des Beklagten kann daher, soweit er substantiiert ist, der Entscheidung zugrunde gelegt werden, ohne dass er zu einer anderen Entscheidung führt als im Urteil vom 08.05.2015.  Einer Beweisaufnahme  bedarf es somit  nicht.

 

Abweichend von dem Urteil vom 08.05.2015 wird nun die Berufung zugelassen, um eine ein­ heitliche  Rechtsprechung zu sichern (§ 511 Abs. 4 S. 1 .Nr.  1  ZPO).

 

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit  beruht auf §§ 708 Nr.    11, 711 ZPO.