Das AG Offenbach schließt eine fristlose Kündigung des Vertrages mit einem Fitnessstudio aus, wenn der Kündigungsgrund der krankheitsbedingten Verhinderung bei Abschluss des Vertrages bekannt war. Dieser war für den Nutzer jedenfalls zum Zeitpunkt des Neuabschlusses des Vertrages bekannt gewesen. Die Berufung wurde vom Amtsgericht im Hinblick auf entsprechende Rechtsansichten sowohl des LG Frankfurt/M. als auch des LG Darmstadt nicht zugelassen.
In einem weiteren Urteil in diesem Rechtsstreit (ergangen auf Grund einer berechtigten Rüge nach § 321a ZPO durch den Beklagten) wies das Amtsgericht auch die Einlassung des Beklagten zurück, er habe nicht mit dem Wiederauftreten von Beschwerden nach erfolgter Behandlung rechnen müssen. Selbst wenn man nur von einer geringen Wahrscheinlichkeit des Wiederauftretens der Beschwerden hätte ausgehen können, so wäre dies nicht ausgeschlossen. Selbst für den Fall einer Fehlinformation durch den behandelnden Arzt, könne dies nicht zu Lasten des Studiobetreibers gehen, der am allerwenigsten in der Lage wäre, hier Prognosen zu treffen.
Aus den Gründen:
...
hat das Amtsgericht Offenbach am Main durch den Richter am Amtsgericht Bernard aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 01.04.2015 für Recht erkannt:
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 474,86 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen gesetzlichen Basiszinssatz·aus jeweils 13,85 € seit dem 12.08.2017, 19.08.2014, 26.08.2014, 02.09.2014, 09.09.2014,16.09:2014, 23.09.2014, und dem 30.09.2014 sowie aus 364,06 € seit dem 07.10.2014 zu zahlen.
Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Streitwert wird auf 474,86 € festgesetzt.
Dessen Darstellung bedarf es gemäß § 313a Abs. 1 ZPO nicht, weswegen sie auf Folgendes
beschränkt wird:
Die Parteien erstmals am 04.10.2010 einen Vertrag über die Nutzung des Fitnessstudios der Klägerin mit einer Laufzeit von 24 Monaten und einem monatlichen Beitrag von 16,83 € abschlossen.
Im Jahre 2011 unterzog sich der Beklagte Operationen im Handgelenkbereich beider Hände. Zuvor hatte er an erheblichen Schmerzen in den Handgelenken gelitten.
Am 08.04.2013 schlossen die Parteien einen neuen Nutzungsvertrag mit einer Laufzeitvon 24 Monaten und einem monatlichen Beitragvon (nur noch) 13,85 € und einem kleineren Leistungsangebot, der den noch laufenden Vertrag vom 04.10.201O ersetzte.
Der Hausarzt des Beklagten, Herr Dr. med. XXX XXX. äußerte in einem Attest vom 25.06 .2014 (BI. 21 d. A.) , dem Beklagten sei wegen neu aufgetretener Gelenkentzündungen eine weitere sportliche Betätigung nicht mehr möglich.
Der Beklagte sprach daher mit Schreiben vom 08.07.2014 (BI. 20 d. A.) die fristlose Kündigung des Vertrags aus.
In einem weiteren Attest vom 23.08.2014 (BI. 31 d. A.) äußerte Herr Dr. med.XXX, auch nach Operationen im Jahre 2011 hätten entzündliche Handgelenkserkrankungen beidseits beim Beklagten immer wieder zu Arbeitsunfähigkeitszeiten geführt. Eine Belastung der Handgelenke müsse unbedingt vermiedenwerden. Um eine Verschlimmerung der Erkrankung mit weiteren Arbeitsunfähigkeitszeiten und eventuellen erneuten Operationen zu verhindern , solle eine sportliche Betätigung im Fitnessstudio (Training mit Gewichten, Übungen zum Muskelaufbau mit Gelenkbelastung) auf nicht absehbare Zeit unterbleiben.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässigund begründet. ·
Kläger hat Anspruch auf die Zahlung von 474,86 € aus dem zwischen den Parteien unstreitig zustande gekommenen Vertrag über die Nutzung des von der Klägerin betriebenen Fitnessstudios. Hieraus steht der dem Kläger eine Vergütung auch für den Zeitraum vom 11.08.2014 bis zum 07.04.2015 zu. Denn vor dem 07.04.2015 wurde der Vertrag nicht beendet. Die vom Beklagten mit Schreibenvom 08.07.20-14 erklärte Kündigung (BI. 10 d. A.) zeigte vor dem 07.04.2015 keine Wirkung.
Der Nutzungsvertrag galt für den Zeitraum von 24 Monatenund war somitfür einen bestimmten Zeitraumabgeschlossen , weswegen ein ordentliches Kündigungsrecht nicht bestand(vgl. § 542 Abs. 2 BGB, § 611 Abs. 1 BGB). Die Vereinbarung einer Vertragslaufzeit von 2 Jahren ist auch als allgemeine Geschäftsbedingung wirksam (BGH, Urteil vom 08.02.2012 - XII ZR 42/10 -, Rn. 19 ff., juris).
Das Recht eineraußerordentlichen fristlosen Kündigungdes Vertrags stand der Beklagten nicht zu, da der hierfür erforderliche wichtige Grund nicht gegebenwar (vgl. § 314 Abs . 1 BGB).
Ein wichtiger Grund zur Kündigungeines Dauerschuldverhältnisses liegt vor, wenn dem kün- digenden Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der beiderseitigen Interessendie Fortsetzung des Vertragsverhältnisses bis zur vereinbarten Be endigung oder bis zum Ablauf einer Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Dies ist in der Regel der Fall, wenn einem der Vertragspartner aus Gründen, die nicht in seinem Verant wortungsbereich liegen, eine weitere Nutzung der Leistungen des anderen Vertragspartners nicht mehr zumutbar ist (BGH, Urteil vom 08.02.2012 - XII ZR 42/10 -, Rn. 30, juris) .
Dies ist im Allgemeinen nur dann anzunehmen, wenn die Gründe, auf die die Kündigung ge stützt wird, im Risikobereich des Kündigungsgegners liegen. Wird der Kündigungsgrund hin gegen aus Vorgängen hergeleitet, die dem Einfluss des Kündigungsgegners entzogen sind
und aus der eigenen Interessensphäre des Kündigenden herrühren, rechtfertigt dies nur in Ausnahmefällen die fristlose Kündigung. Die Abgrenzung der Risikobereiche ergibtsich dabei aus dem Vertrag , dem Vertragszweck und den anzuwendenden gesetzlichen Bestimmungen (BGH, Urteil vom 11.11.2010 - III ZR 57/10 -, Rn. 9, juris) .
An diesen Grundsätzen gemessen, lag ein wichtiger Grund, welcher den Beklagten zur fristlosen Kündigung des Nutzungsvertrags Juli 2014 berechtigt hätte, nicht vor. Das Bestehen eines Kündigungsrechts setzt danach .voraus, dass der Grund, den der Kündigende für seine Kündigung anführt, nicht in seinem eigenenVerantwortungsbereich liegt. Hier liegt es aber nach Einschätzung des Gerichts so, dass das Risiko des Wiederauftretens von Schmerzen in den Handgelenken des Beklagten eindeutig in dessen eigenen Verantwortungsbereich lag, da er sich mit dem nach dem 08.04.2013 praktizierten Kraftsport trotz Kenntnisseiner medizinischenVorgeschichte den Gefahren einer hohen Gewichtsbelastung seiner Handgelenke aus setze.
Maßgeblicher Zeitpunktist der 08.04.2013 , da die vom Beklagten ausgesprochene Kündi- gungserklärung sich auf den am 08.04.2013 geschlossenen zweiten Vertrag mit der Klägerinbezog.
Es kann dahingestellt bleiben, ob der Beklagte dann zur fristlosen Kündigung berechtigt wäre, wenn die Erkrankung seiner Handgelenke, welche ihm das Trainieren mit Gewichten etc. gemäß den Angaben seines Hausarztes verbietet , nach dem Abschluss des zweiten Vertrags vom 08.04.2013 für ihn vollkommenunerwartet und schicksalshaft eingetreten wäre. Denn so liegt es hier auch nach den vom Beklagten selbst vorgetragenen Tatsachen nicht.
Der Umstand, dass der Beklagteschon vor den Operationen, denen er sich im Jahr 2011 un- terzog, unter Schmerzengelitten hatte, indiziertvielmehr, dass am 08.04.2013 durchausAnlass zu der Befürchtung bestand, es könne zum erneuten Auftreten solcher Schmerzen kommen. Der Beklagte hat auch nicht nachvollziehbar dargelegt, dass das Stattfinden der genannten Operationen eine ganz andere Prognose berechtigt hätte. Im Gegenteil dürfte das Stattfinden einer Operation an Handgelenken für sich genommen schon Anlass zu der Befürchtung geben, dass deren Belastung mit Gewichten sich gesundheitlich nachteilig auswirken könnte. Wenn es aber für den Beklagten bei nüchterner Einschätzung seiner Situation nicht fernliegend war, hinsichtlich einer besonderen Belastung seiner Handgelenke durch Kraftsport besonders vorsichtig zu.agieren, dann wäre es auch nicht interessengerecht, das finanzielle Risiko, dass er trotzdem mit dem Abschluss eines zweijährigen Fitnessstudiovertrags eingegangen ist, auf die Klägerin abzuwälzen, die über die gesundheitliche Situation des Beklagten jedenfalls schlechter aufgeklärt gewesen ist, als der Beklagte selbst.
Dass die Parteien bereits im Jahre 2010 einen ersten Nutzungsvertrag abgeschlossen hatten, ist unerheblich. Es stand dem Beklagten am 08.04.2013 frei, einen Vertrag mit einer kürzeren Laufzeit abzuschließen oder einen neuen Vertragsschluss gänzlich zu unterlassen.
Die Höhe der geltend gemachten Hauptforderung wurde schlüssig dargetan.
Die tenorierten Zinsansprüche der Klägerin bestehenauf Grundlage von §§ 288 Abs. 1, 286 BGB.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Voll streckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 711, 713.
Die Berufung war trotzdes Antrags der Beklagtenseite nicht zuzulassen ,da keiner der in
§ 511 Abs. 4 Nr. 1 ZPO genannten Gründe vorliegt. Insbesondere eine einheitliche Rechtsprechung besteht für Fälle wie den vorliegenden bereits. Die vom erkennenden Gericht vorgenommene Bewertung entspricht derjenigen in den klägerseits vorgelegten Entscheidungen der Landgerichte Frankfurt (Hinweisbeschluss vom 22.09.2010 . Az. 2-16 S 136/10: Urteil vom 09.05.2012 , Az. 2-16 S 210/11) und Darmstadt (Hinweisbeschluss vom 23.08 .2010, Az. 6 S 111/10), welche ebenfalls Fälle betrafen, in welchen gesundheitliche Beschwerden des Kündigenden dem Vertragsschluss bereits vorausgegangen waren. Die seitens des Beklagten zitierte Entscheidung des Amtsgerichts München (vom 12.06.2013 zum Az. 113 C 27180/11) betrifft hingegen einen Fall, in welchem bei Vertragsschluss für die später eintretende Erkran kungüberhaupt keine Anzeichen vorhanden waren, da es sich um einen Fahrradsturz handelte.
Urteil in der Sache nach berechtigter Rüge gem. § 321a ZPO
Tatbestand
Dessen Darstellung bedarf es gemäß § 313a Abs. 1 ZPO nicht.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig und begründet.
Zur Begründung der Entscheidung in der Hauptsache und der Kostenentscheidung wird auf die Entscheidungsgründe des Urteils vom 08.05 .2015 (BI. 83 - 86 d. A.) Bezug genommen . Der Vortrag des Beklagten mit Schriftsätzen vom 27 .05.2015 und vom 30.07 .2015 rechtfertigt keine davon abweichende Entscheidung . Das Gericht erkennt in den vom Beklagten vorge tragenen Tatsachen nach wie vor keinen wichtigen Grund. welcher den Beklagten berechtigt hätte, den mit der Klägerin am 08.04.2013 geschlossenen Vertrag zu kündigen (vgl. § 314 Abs . 1 BGB). Nach der Rechtsauffassung des erkennenden Gerichts würde ein zur fristlosen Kündigung berechtigender wichtiger Grund allenfalls dann vorliegen , wenn das im Attest des Dr. med. Buhr vom 25 .06.2014 (BI. 21 d. A.) erwähnte Wiederauftreten von Gelenkentzün dungen für den Beklagten am 08.04.2013 vollkommen unvorhersehbar gewesen wäre. Dies war jedoch nicht der Fall. Schon der Umstand, dass die Beschwerden im Juni 2014 wieder aufgetreten sind, indiziert, dass am 08.04.2013 eine belastbare Prognose, deren Wiederauf treten sei ausgeschlossen , nicht getroffen werden könnte. Selbst wenn die Wahrscheinlichkeit eines Wiederauftretens der Beschwerden im April 2013 noch gering gewesen sein sollte , wür de dies nichts daran ändern können, dass der Beklagte damit rechnen musste, dass solches passieren könnte. Selbst wenn der Beklagte im April 2013 von seinen Arzten über das Risiko des Wiederauftretens der Erkrankung fehlinformiert worden sein sollte , könnte dies nicht dazu führen, dass er dieses Risiko auf die Klägerin abwälzen könnte, die am allerwenigsten die Möglichkeit hatte, diesbezüglich eine Prognose zu treffen, aber ein berechtigtes Interesse daran hat, mit der Erfüllung bereits abgeschlossener Verträge kalkulieren zu können. Der streitige Sachvortrag des Beklagten kann daher, soweit er substantiiert ist, der Entscheidung zugrunde gelegt werden, ohne dass er zu einer anderen Entscheidung führt als im Urteil vom 08.05.2015. Einer Beweisaufnahme bedarf es somit nicht.
Abweichend von dem Urteil vom 08.05.2015 wird nun die Berufung zugelassen, um eine ein heitliche Rechtsprechung zu sichern (§ 511 Abs. 4 S. 1 .Nr. 1 ZPO).
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.