Verkehrsunfallrecht


Begegnungsverkehr: Haftung bei Unfall in Kurve zwischen PKW und Traktorgespann

OLG Köln, Hinweisbeschluss vom 20.04.2020 - I-12 U 190/19 -

Kurze Inhaltsangabe:

 

Der Verkehrsunfall ereignete sich auf einer schmalen Straße in einem Kurvenbereich. Die Kollision ereignete sich etwas über der (gedachten) Mittelinie auf der Fahrbahnseite der Klägerin. Das Landgericht wies die Klage ab. Im Rahmen der Berufung erfolgte ein Hinweisbeschluss durch das OLG Köln, dass dieses beabsichtige, die Berufung zurückzuweisen.

 

Nach Auffassung des OLG sei eine Verpflichtung der Beklagten (Fahrer, Halter und Versicherer des Traktors mit Anhänger) zur Zahlung von Schadensersatz nach § 17 Abs. 3 StVG nicht gegeben. Es handele sich für die Beklagten um ein unabwendbares Ereignis. Unter unabwendbaren Ereignis sei nicht eine absolute Unvermeidbarkeit zu verstehen, sondern gemeint sei ein Schadensereignis, welches auch bei der äußersten Sorgfalt nicht abgewendet werden könne. Dazu sei ein sachgemäßes, geistesgegenwärtiges Handeln erheblich über den Maßstab der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt iSv. § 276 BGB erforderlich. Der Schädiger sei nach dem Zweck des § 17 Abs. 3 StVG von Schäden freizustellen, die sich auch bei vorsichtigen Vorgehen nicht vermeiden ließen, ohne dass eine absolute Unvermeidbarkeit gefordert würde. Denn es müsse auch bei dem geforderten „Idealfahrer“ als Maßstab menschliches Vermögen den Erfordernissen des Straßenverkehrs angepasst sein.

 

Damit sei aber auf der Grundlage des vom Landgericht eingeholten Sachverständigengutachtens der Unfall für den Fahrer des Traktors unabwendbar. Seine Reaktion und sein verhalten hätten demjenigen eines Idealfahrers entsprochen.

 

Nach der sachverständigen Feststellung habe sich das klägerische Fahrzeug vor dem Unfallereignis mit seiner linken Seite im Bereich der gedachten Fahrbahnmitte befunden. Auch wenn die Klägerin die Fahrbahnmitte nicht überfahren haben sollte, würde die Bremsreaktion des Fahrers des Traktors den Anforderungen an einen Idealfahrer gerecht werden, da sich nach den übereinstimmenden Angaben der Parteien die Fahrzeuge im Kurvenbereich plötzlich gegenüber befunden hätten  und ein Ausweichen des Traktors nach rechts wegen eines Felsvorsprungs nicht möglich gewesen sei. Dies gilt auch, obwohl durch ABS und Anhängerbremse der Traktor durch das Abbremsen in Richtung Fahrbahnmitte geriet und so die Kollision verursacht worden sei.

 

Zwar wäre nach den sachverständigen Feststellungen der Verkehrsunfall ohne das Abbremsen des Traktors verhindert worden. Es könne auf sich beruhen, ob dem Fahrer eine falsche Reaktion im ersten Schreck zuzubilligen sei (so BGH, Urteil vom 23.09.1986 - VI ZR 136/85 -), da hier auch der Idealfahrer in der konkreten Gefahrensituation nicht hätte erkennen können, dass ohne sein Abbremsen eine Kollision vermeidbar wäre. Dies würde sich auch daraus ergeben, dass eine Vermeidung nicht nur von der eigenen Reaktion des Traktorführers abhing, sondern auch von der unbekannten Reaktion der Klägerin. In Ansehung auch von zu erwartenden erheblichen Schäden (einschl. Personenschäden) im Falle einer ungebremsten Kollision war damit dem Traktorfahrer auch bei dem größtmöglichen Sorgfaltsmaßstab nicht anzulasten, dass er das von ihm geführte Gespann bei Auftauchen des klägerischen PKW im Bereich der Fahrzeugmitte abbremste. 

 

Unbehelflich sei der Hinweis der Klägerin auf eine Überbreite des Traktorgespanns, da nach den Feststellungen des Sachverständigen und vorliegenden Fotos der Traktor mit Anhänger sowie der PKW der Klägerin im Kurvenbereich gefahrlos hätten aneinander vorbeifahren können.

 

Dabei sei ferner zu berücksichtigen, dass das Gespann äußerst rechts geführt wurde und mit einer Geschwindigkeit, mit der die Kurve auch gefahrlos zu passieren war. Die Ausgangsgeschwindigkeit hätte nach dem Sachverständigen in einer Größenordnung von 25km/h gelegen, die Kollisionsgeschwindigkeit im Bereich zwischen 10 und 15 km/h. Eine weitere Geschwindigkeitsreduzierung (unter 25km/h) sei auch für den Idealfahrer hier nicht notwendig gewesen, zumal eine noch langsamere Geschwindigkeit die Gefahren für einen den Traktor nachfolgenden Verkehr sich gerade in dem unübersichtlichen Kurvenbereich erhöht hätten. Der Traktorfahrer, der äußerst vorsichtig und am rechten Fahrbahnrand unter Wahrung der gebotenen Kurven- und Höchstgeschwindigkeit fuhr, hätte mangels erkennbarer vertrauenserschütternder Gründe nicht noch zusätzlich darauf achten müssen, dass ihm in der Kurve plötzlich ein PKW in Fahrbahnmitte entgegen kommt.

 

Allerdings habe die Klägerin gegen das Rechtsfahrgebot verstoßen, da der Sachverständige festgestellt habe, dass sich die Klägerin jedenfalls mit der linken Seite des PKW im Bereich der Fahrbahnmitte befand. Dass ein Überschreiten der Fahrbahnmitte nicht habe festgestellt werden können, sei für die rechtliche Bewertung des Fehlverhaltens der Klägerin als Verstoß gegen § 2 Abs. 2 StVO unbeachtlich.  

 

 

Anmerkung: Da die Berufung nicht zurückgenommen wurde, wies das OLG in der Folge die Berufung mit Beschluss nach § 522 ZPO zurück.

 

Aus den Gründen:

 

Tenor

1. Der Senat beabsichtigtdie Berufung der Klägerin durch einstimmigen Beschluss nach § 522 Abs2 S. 1 ZPO zurückzuweisen.


 

 

 

2. Die Klägerin erhält Gelegenheit zur Stellungnahme binnen 6 Wochen ab Zustellung dieses Beschlusses.

 

Gründe

 

I.

 

Die zulässige Berufung der Klägerin hat nach der einstimmigen Überzeugung des Senats aus den zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung die durch das Berufungsvorbringen nicht entkräftet werdenoffensichtlich keine Aussicht auf ErfolgEs ist nicht ersichtlichdass die angefochtene Entscheidung auf einer Rechtsverletzung beruht (§ 546 ZPO) oder die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen (§ 513 Abs. 1 ZPO).

 

 

Das Landgericht hat die Klag-zu Recht mit der Begründung abgewiesen dass nach dem Ergebnis der durchgeführten Beweisaufnahme mit dem Beweismaß des § 286 ZPO feststeht dass der Unfall durch ein für den Beklagten zu 1) unabwendbares Ereignis im Sinne des § 17 Abs3 StVG verursacht wurdeDer Senat nimmt Bezug auf die zutreffenden Ausführungen in der angefochtenen EntscheidungDas Berufungsvorbringen rechtfertigt keine andere Bewertung.

 

1.             Nach § 529 Abs1 Nr. 1 ZPO ist der Senat grundsätzlich an die Tatsachenfeststellungen des ersten Rechtszuges gebunden Diese Bindung entfällt, wenn konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit entscheidungserheblicher Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten (§ 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO)Konkrete Anhaltspunkte in diesem Sinne sind alle objektivierbaren rechtlichen oder tatsächlichen Einwände gegen die erstinstanzlichen FeststellungenZweifel liegen dann vorwenn aus der für das Berufungsgericht gebotenen Sicht eine gewisse - nicht notwendig überwiegende - Wahrscheinlichkeit dafür bestehtdass im Fall der Beweiserhebung die erstinstanzliche Feststellung keinen Bestand haben wirdsich also deren Unrichtigkeit herausstellt (vgl. zum Ganzen BGHBeschluss vom 04. September 2019 - VII ZR 69/17 - Rn11jurisBGHBeschluss vom 21. März 2018 - VII ZR 170/17 -Rh 15 m.w.N., juris).


 

In Anwendung      dieses         Prüfungsmaßstabs             sind        die  unter Würdigang   der erstinstanzlich erhobenen Beweise festgestellten Tatsachen in dem angefochten en Urteil nicht zu beanstandenDie von der Klägerin mit der Berufung erhobenen Einwendungen gegen die vom Landgericht gezogenen Rückschlüsse aus dem Gutachten Dr…  greifen nicht durch. Wie nachfolgend noch im Einzelnen aufzuzeigen isthat das Landgericht das mündliche Gutachten des Sachverständigen DrMöhler vom 11.10.2019 zutreffend gewürdigt. Entgegen den Ausführungen der Klägerin auf Seite  3 der  Berufungsbegründung (BI.  162)  hat nicht der Sachverständige festzustellen, was der Sachverständige Dr. ….  seiner Begutachtung im Übrigen auch nicht getan, ob der Unfall für den Beklagten zu 1) unabwendbar war oder die  Klägerin  das  Rechtsfahrgebot  verletzt  hat.  Diese rechtliche Bewertung hat allein das Gericht auf der Grundlage der nach dem Ergebni-s    der    Beweisaufnahme    festgestellten    Tatsachen    zum    Unfallhergang vorzunehmen Dem ist das Landgericht rechtsfehlerfrei nachgekommen .

 

2.             Unter Würdigung des Ergebnisses der Beweisaufnahme insbesondere den Feststellungen des Sachverständigen …und aller Umstände ist der Senat ebenso wie das Landgericht mit dem Beweismaß  des  §  286  ZPO  überzeugt,  dass das Unfallereignis für den Beklagten zu 1) unabwendbar war und deshalb eine Haftung gegenüber der Klägerin gemäߧ 17 Abs3 StVG ausgeschlossen ist.

 

 

a)             Nach § 17 Abs3 StVG ist eine Verpflichtung zum Schadensersatz ausgeschlossen, wenn der Unfall durch ein unabwendbares Ereignis verursacht wird, das weder auf einem Fehler in der Beschaffenheit des Fahrzeugs noch auf einem Versagen seiner Vorrichtungen beruht. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs meint der Begriff unabwendbares Ereignis" nicht absolute Unvermeidbarkeit des Unfalls, sondern ein schadenstiftendes Ereignis, das auch bei der äußersten möglichen Sorgfalt nicht abgewendet werden kann (vgl. zu § 7 Abs2 StVG a.F.: BGH Urteil vom 18Januar 2005 - VI ZR 115/04 -,  Rn15 -·  16juris; BGH Urteil vom 17März 1992 - VI ZR 62/91 - BGHZ 117, 337-345Rn. 9BGH, Urteil vom 28. Mai 1985 - VI ZR 258/83 - Rn. 7juris). Hierzu gehört ein sachgemäßesgeistesgegenwärtiges Handeln erheblich über den Maßstab der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt im Sinne von § 276 BGB hinaus. Der Schädigei- ist nach dem Zweck des§ 7 Abs. 2 StVG a.F. bzwdes§ 17 Abs3 StVG von Schäden freizustellen die sich auch bei vorsichtigem Vorgehen nicht vermeiden lassen (vgl. zu.§ 7 Abs2 StVG a.F.BGHUrteil vom 18Januar 2005 - VI ZR 115/04 - Rn15 - jurisBGHZ 1056569zu § 17 Abs3 StVGSchalten inFreymann/WellnerjurisPK-Straßenverkehrsrecht 1Aufl.§ 17 StVG (Stand28.03.2018) Rn11).

 

 

Eine absolute Unvermeidbarkeit wird allerdings nicht gefordert (BGH, Urteil vom 18Januar 2005 - VI ZR 115/04 - Rn15 - 16 m.w.N.juris) Auch der an den sogenannten Idealfahrer" anzulegende Maßstab muss .menschlichem Vermögen und den Erfordernissen des Straßenverkehrs noch angepasst sein. So gilt auch für ihn in der Regel der Vertrauensgrundsatz, nach dem sich der Kraftfahrer in gewissem Umfang darauf verlassen darfdass andere Verkehrsteilnehmer sich sachgerecht verhalten , solange keine besonderen Umstände vorliegen , die geeignet sind, dieses Vertrauen zu erschüttern. Derartige besonderen Umstände muss der „Idealfahrer" aber sorgfältiger und kritischer als der Durchschnittsfahrer beobachten und seine Fahrweise darauf einstellen (BGH, Urteil vom 28. Mai 1985 - VI ZR 258/83 - , Rn. 7, juris; OLG Karlsruhe, Urteil vom 10. September 2018 - 1 U 155/17 - , Rn. 28, juris) Dabei darf sich die Prüfung nicht auf die Frage beschränkenob der Fahrer in der konkreten Gefahrensituation wie ein Idealfahrer" reagiert hat, vielmehr ist sie auf die weitere Frage zu erstrecken, ob ein Idealfahrer" übe,rhaupt in eine solche Gefahrenlage geraten wäreder sich aus einer abwendbaren Gefahrenlage entwickelnde Unfall wird nicht dadurch unabwendbar, dass sich der Fahrer in der Gefah nunmeh (zu  spät)  ,,ideal" verhält.  Dami verlangt  de Haftungsausschlussdass der Idealfahrer" in seiner Fahrweise auch die Erkenntnisse berücksichtigt, die nach allgemeiner Erfahrung geeignet sind, Gefahrensituationen nach Möglichkeit zu vermeiden (zu § 7 Abs. 2 a.F.: BGH, Urteil vom 13. Dezember 2005 - VI ZR 68/04 - Rn. 21, juris; BGH, Urteil vom 17. März 1992-VI ZR 62/91 - , BGHZ 117, .337-345 ,

Rn. 11, juris;zu § 17 Abs. 3 StVGSchalten inFreymann/Wellner, jurisPK­ Straßenverkehrsrecht 1. Aufl., § 17 StVG (Stand: 28.03.2018), Rn. 15).

 

Diese vom Bundesgerichtshof zu§ 7 Abs2 StVG a.Fentwickelten Grundsätze sind auf § 17 Abs3 StVG weiter anzuwenden (vgl. ohne Begründung OLG KarlsruheUrteil vom 10September 2018 - 1 U 155/17 - Rn. 28juris)Im Verhältnis zwischen motorisierten Verkehrsteilnehmern ergibt sich durch die Neuregelung in § 17 Abs. 3 StVG insofern nichts Neues (Schalten inFreymann/WellnerjurisPK­ Straßenverkehrsrecht 1. Aufl., § 17 StVG (Stand28.03.2018)Rn. 13)Insbesondere wurde der Begriff des unabwendbaren Ereignisses übernommen.

 

b)          Gemessen           an   diesen Grundsätzen hat       das Landgericht  aufgrund        der überzeugenden    Feststellungen   des Sachverständigen     Dr. …    zu   Recht · festgestellt dass das Unfallereignis für den Beklagten zu 1) auch beAnwendung der äußersten Sorgfalt unabwendbar warSowohl die Reaktion des Beklagten zu 1) unmittelbar vor der Kollision als auch sein  Verhalten  vor  der  Gefahrensituation  wird dem anzulegenden Maßstab an einen sog. Idealfahrer unter Berücksichtigung von menschlichem Vermögen und den Erfordernissen des Straßenverkehrs gerecht.

 

aa) Das starke Abbremsen des Traktorzugs stellte eine sachgemäße Reaktion dar, die in der konkreten Situation höchsten Sorgfaltsanforderungen gerecht wirdauch wenn hierdurch der Traktor trotz ABS und Anhängerbremse in Richtung Fahrbahnmitte getragen und damit die Kollision verursacht wurdeNach den überzeugenden Feststellungen des Sachverständigen befand sich das von der Klägerin geführte Fahrzeug vor dem Unfallereignis mit seiner linken Seite im Bereich der gedachten FahrbahnmitteDer Sachverständige konnte dies anhand der von ihm ausgewerteten   Fotos  eindeutig  feststellen .  Konkrete   Einwendungen   gegen die .diesbezüglichen    Feststellungen   des   Sachverständigen ….,    dessen Fachkunde gerichtsbekannt ist und von der Klägerin nicht angezweifelt wird, werden mit der Berufung nicht erhobenSelbst wenn die Klägerin nach der Einfahrt in die Kurve die gedachte Fahrbahnmitte nicht überschritten haben sollte, wovon das Landgericht  in  seiner  Begründung  ausgegangen  ist,  wird  die  Bremsreaktion  des Traktorfahrers den an einen sog. Idealfahrer z· stellenden Sorgfaltsanforderungen gerecht. Nach den insofern übereinstimmenden  Angaben .  der  Klägerin ,  des Beklagten zu 1) urid der Zeugin … in der  mündlichen  Verhandlung  vor dem Landgericht  am 22.02.2019 standen  sich die Fahrzeuge  der Parteien  plötzlich  in der Kurve gegenüber und ein Ausweichen nach rechts war für den Traktorzug aufgrund eines Felsvorsprungs nicht möglichUm die im Fall eines .ungebremsten Zusammenstoßes drohenden schwerwiegenden Folgen für Leib 1,md Leben vor allem der Insassen des Pkw abzuwenden hätte auch ein überaus sorgfältiger und geistesgegenwärtiger Idealfahrerin der konkreten Gefahrensituation den Traktorzug stark abbremst.

 

Der Annahme einer idealen Reaktion steht nicht entgegen, dass der Unfall nach den Feststellungen   des  Sachverständigen  ohne                                                          ein  Abbremsen           des  Traktorzuges tatsächlich zu vermeiden gewesen wäreDabei kann dahingestellt bleibenob einem Kraftfahrer im Rahmen der Entlastung nach § 17 Abs 3 StVG eine falsche Reaktion im ersten Schrecken zuzubilligen ist (so BGHUrteil vom 23September 1986 - VI ZR 136/85 - juris zu§ 7 Abs 2 StVG a.F.)Denn auch ein Idealfahrerhätte nach menschlichem Vermögen in der konkreten Gefahrensituation nicht sicher erkennen können dass ohne sein Abbremsen eine Kollision tatsächlich verhindert worden wäreDies folgt schon darausdass die Vermeidung einer Kollision nicht allein von der  eigenen   Reaktion  des  Traktorführers,   sondern  wesentlich auch von dem Verhalten des entgegenkommenden Fahrzeugführers abhing Dieses war in der Kürze der Reaktionszeit für den Traktorfahrer nicht sicher vorherzusehen. Angesichts der zu erwartenden erheblichen Schäden - auch Personenschäden - im Fall einer ungebremsten Kollision der Fahrzeuge ist unter Abwägung · aller Umstände dem Beklagten zu 1) deshalb selbst   unter Anlegung eines größtmöglichen Sorgfaltsmaßstabs  nicht   vorzuwerfen  dass        er den Traktorzugaufgrund des plötzlichen Auftauchens des klägerischen Fahrzeugs im Bereich der Fahrzeugmitte stark abbremste Ohne Bedeutung    für die  rechtliche Bewertung des Reaktionsverhaltens des Beklagten zu 1) als idealistdass die Klägerin ihr Fahrzeug ebenfalls abbremsteDies folgt schon darausdass durch das Abbremsen der  Klägerin die Nähe ihres Fahrzeugs  zur Fahrbahnmitte und    damit die Gefahrensituation für den Traktorführer nicht beseitigt wurden.

 

bb) Nach dem Ergebnis der erstinstanzlichen Beweisaufnahme steht zudem festdass auch ein Idealfahrerdes Traktorzuges in die konkrete Gefahrenlage geraten wäredie dadurch verursacht wurdedass die Klägerin die Kurve im Bereich der Fahrbahnmitte befuhrDer Beklagte zu 1) durfte mit dem streitgegenständlichen Traktorzug die Landstraße mit den dort vorhandenen Kurven befahren. Unbehelflich sind in diesem Zusammenhang die Ausführungen der Klägerin zu einer ü berbreitedes Traktorzugs Nach den Ausführungen des Sachverständigen und den auf den Fotos erkennbaren Örtlichkeiten besteht kein Zweifeldass der Traktorzug und der Personenkraftwagen der Klägerin nach ihren Fahrzeugbreiten die Kurve gefahrlos in entgegengesetzten Fahrrichtungen nebeneinander hätten passieren können.

 

Die konkrete Gefahrensituation in der Kurve durch das entgegenkommende Fahrzeug der Klägerin im Bereich der Fahrzeugmitte war für den Beklagten zu 1) auch bei der von ihm angewandten äußerst vorsichtigen Fahrweise· nicht vermeidbarDer  Sachverständige  hat  unter  sorgfältiger  Auswertung  der  von  ihm   anhand   der Fotos ermittelten Spuren sicher festgeste lltdass der Traktorzug unmittelbar vor der Kollision am äußerst rechten Fahrbahnrand geführt wurdeAußerdem hat der Sachverständige eindeutig die Frage bejahtdass der Beklagte zu 1) den Traktorzug mit einer Geschwindigkeit in die Kurve geführt hatmit der er die Kurve gefahrlos hätte befahren können. Der Sachverständige hat ausgeführt (Seite 3 des Sitzungsprotokolls vom 11.10.2019BI. 118)dass die Kurvengrenzgeschwindigke ifür den Traktorzug deutlich über der von ihm errechneten Geschwindigkeit gelegen habeDie Ausgangsgeschwindigkeit des Traktorzuges hat der Sachverständige nachvollziehbar in einer Größenordnung von 25 km/h berrechnet. Er bewertete insofern fachkundig den Spurzeichnungsbeginn des Traktorzugs und die von ihm festgestellte Kollisionsgeschwindigkeit des Traktors zwischen 10 km/h und 15 km/hEntgegen der Rüge der Klägerin ist unschädlich, dass der Sachverständige die Geschwindigkeit des Traktorzuges nicht exaktsondern nur in einer Größenordnung von 25 km/hbestimmen konnteDenn auch bei einer Größenordnung von 25 km/hlag die tatsächliche Geschwindigkeit deutlich unter der zulässigen Höchstgeschwindigkeit. Außerdem besteht nach der gebotenen Gesamtwürdigung der Feststellungen des Sachverständigen kein Zweifel, dass der Traktorzug  die Kurve mit der tatsächlich gefahrenen Geschwind igkeit ohne das Entgegenkommen des klägerischen Fahrzeugs im Bereich der Fahrzeugmitte sicher hätte durchfahren könnenda der Sachverständige von einer deutlichenUnterschreitung der Kurvengrenzgeschwindigkeit ausgeht.

 

cc) Eine weitere Reduzierung der Geschwindigkeit des Traktorzugs vor der Einfahrt in die Kurve war auch für einen Idealfahrernicht geboten.

 

(1)       Eine Geschwindigkeit von rund 25 km/h auf einer Landstraße ist im Vergleich zur dort zugelassenen  Höchstgeschwindigkeit ohnehin  als niedrig  einzuschätzen Ein ·noch langsameres Befahren der Landstraße mit dem Traktorzug kann insofern die Gefahren für den dem Traktorzug nachfolgenden Verkehrgerade in dem unübersichtlichen    Kurvenbereich,   erhöhen.    Auch    diesen    Umstand    wird ein  Idealfahrer"     bei     der     Bemessung      der     angemessenen     Geschwindigkeit berücksichtigen.

 

 

(2)       Auch der Idealfahrer eines Traktorzugs muss seine äußerst vorsichtige  Fahrweise am rechten Fahrbahnrand unter Wahrung der gebotenen Kurven- und Höchstgeschwindigkeit nicht noch zusätzlich darauf ausrichten dass ihm in der Kurve plötzlich ein Personenkraftwagen in der Nähe der Fahrbahnmitte entgegenkommt. Vielmehr darf er grundsätzlich darauf vertrauen dass ein entgegenkommende Fahrzeugführer - wie er selbst - im Kurvenbereich das Rechtsfahrgebot beachtet. Besondere Umständedie geeignet wärendieses Vertrauen zu erschütternliegen nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht vorEntgegen den mit der Berufung erhobenen Einwendungen hat das Landgericht zu Recht auf der Grundlage der Feststellungen des Sachverständigen Dr. Möhler einen Verstoß der Klägerin gegen das Rechtsfahrgebot festgestellt.

 

(a)                                 Gemäß § 2 Abs2 StVO ist möglichst weit rechts zu fahrennicht nur bei Gegenverkehr ,                  beim               Überholtwerden,                               an        Kuppen ,          in       Kurven         oder        bei Unübersichtlichkeit. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist das Rechtsfahrgebot des § 2 Abs2 StVOwie schon der Wortlaut (,,möglichst weit rechts") erkennen lässtnicht starr (BGHUrteivom 09Juli 1996 - VI ZR 299/95 -, Rn 7 - 8, jurisBGHUrteil vom 20Februar 1990 - VI ZR 124/89 -, juris m.w.N.). Was möglichst weit rechts ist, hängt von der Örtlichkeitder Fahrbahnart und - beschaffenheit, der Fahrgeschwindigkeit, den Sichtverhältnissen , dem Gegenverkehr und      anderen       Umständen           ab.  Dabei              hat              der      Kraftfahrer          einen               gewissen Beurteilungs freiraum , solange er sich so weit rechts hält, wie es im konkreten Fall im Straßenverkehr vernünftig" ist (vgl. BGHUrteil vom 20. Februar 1990 - VI  ZR 124/89 -juris m.w.N.). Dieser Beurteilungsfreiraum entfällt indes dannwenn - wie etwa an Kuppen oder in Kurven die Strecke unübersichtlich ist. In diesen Fällen muss der Fahrer die äußerste rechte Fahrbahnseite einhaltenweil die Gefahr bestehtdass die Un.übersichtlichkeit der Strecke ein rechtzeitiges Ausweichen nach rechts vor einem plötzlich auftauchenden Hindernis nicht mehr zulässt (vgl. zum Ganzen BGHUrteil vom 09Juli 1996 - VI ZR 299/95 - Rn7 - 8jurisThüringer Oberlandesgericht Urteil vom 24April 2018 - 5 U 103/17 - Rn. 15juris) .

 

(b)      Gemessen daran hat die Klägerin gegen das Rechtsfahrgebot verstoßen unabhängig davonob ihr Fahrzeug die gedachte Fahrbahnmitte überschritten hat. Denn der Sachverständige hat auf der Grundlage der von ihm ausgewerteten Spurenlage eindeutig festgestellt (Seite 2 des Sitzungsprotokolls vom 11.10.2019 , BI. 117 R)dass sich der Pkw der Klägerin vor dem Unfallereignis miseiner linken Seite im Bereich der gedachten Fahrbahnmitte bewegt hat. Ein Vermeidungspotenzial hätte für die Klägerin darin bestandenihr Fahrzeug  am  äußerst  rechten Fahrbahnrand zu führen.  Danach  steht  zur  Überzeugung  des  Senats  fest,  dass  die Klägerin ihr Fahrzeug im Kurvenbereich nicht an der äußerst rechten Fahrbahnseite geführt hatwie dies in Anwendung der · vorzitierten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Einhaltung des Rechtsfahrgebotes erforderlich  gewesen wäreDass         eine         Überschreitung                           der      gedachten          Fahrbahnmitte          von      dem Sachverständigen nicht festgestellt werden konnteist für die rechtliche Bewertung  des Fahrverhaltens der Klägerin als Verstoß gegen § 2 Abs. 2 StVO ohne Relevanz .

 

3.            Steht nach alledem zur Überzeugung des Senats mit der erforderlichen Sicherheit gemäß § 286 ZPO festdass der streitgegenständliche Unfall für die Beklagten durch ein unabwendbares Ereignis im Sinne des § 17 Abs3 StVG verursacht wurde, kommt es auf eine Abwägung der Verursachungsbeiträge gemäß § 17 Abs. 2 StVG und dabei auf das Ausmaß des Fehlverhaltens der Klägerin und auf die Betriebsgefahr des streitgegenständlichen Traktorzugs nicht an.

 

 

II.

 

Die weiteren Voraussetzungen des § 522 Abs. 2 ZPO liegen vorDie Bedeutung der Sache geht nicht über den Einzelfall mit seinen besonderen Ausprägungen hinausAuch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts aufgrund mündlicher Verhandlung nicht. Eine mündliche Verhandlung vor dem Senat" ist auch im Übrigen nicht geboten.

 

 

III.

 

Die Klägerin erhält Gelegenheit, binnen 6 Wochen ab Zustellung dieses Beschlusses zu den Hinweisen des Senats Stellung zu nehmen.