Schadensersatz - Verkehrssicherungspflicht


Verkehrssicherungspflicht verneint: Sturz in eine Grube in fremden Gebäude

OLG Frankfurt - 24 U 124/10 -, Urteil vom 15.4.2011


Der Entscheidung des OLG Frankfurt (Senate Darmstadt) lag ein sicherlich nicht alltäglicher Fall zugrunde: Eine Motorradgruppe übernachtete in einem Gasthof in einem Dorf im Odenwald. Die Motorräder wurde auf der dem Gasthof gegenüberliegenden Straßenseite auf einem nicht zum Gasthof gehörenden, allerdings ständig von Gästen des Gasthofes genutzten Wiesenstreifen abgestellt. Der bei dem Vorfall tödlich verunglückte Ehemann/Vater der Kläger begab sich nach Angaben der Kläger von der Terrasse des Gasthofes - nachdem er bereits erheblich alkoholisiert war - zum Urinieren nicht auf die weiter entfernt liegende Toilette des Gasthofes, sondern ging über die Straße auf den Wiesenstreifen. Direkt hinter dem Wiesenstreifen befinden sich Stallgebäude des Beklagten. Er muss eine nicht verschlossenen Türen geöffnet haben und so in den völlig dunklen Raum gegangen sein. Ca. 40 - 50cm hinter der Tür befand sich ein Silo, dessen betonierte Oberkante ca. 25cm über dem Niveau des Erdbodens lag; auf der Oberkante lag zudem ein 15cm starkes Kantholz. Der Erblasser fiel in den Silo und zog sich tödliche Verletzungen zu. Die Erben (Ehefrau und Kind) klagten gegen den Eigentümer auf Schadensersatz und Schmerzensgeld, da sie der Meinung waren, durch das Nichtverschließen der Tür habe der Beklagte seine Verkehrssicherungsplicht verletzt, der wusste, dass auf seinem Wiesengrundstück geparkt würde und mit einem Betreten hätte rechnen müssen. Unter Abweisung von Schmerzensgeldansprüchen der Kläger hat das Landgericht Darmstadt der Schadensersatzklage unter Berücksichtigung eines Mitverschuldens des Erblassers zu 40% stattgegeben. Auf die von beiden Parteien eingelegte Berufung hat das OLG die Entscheidung abgeändert und die Klage insgesamt abgewiesen. Es negierte eine Verkehrssicherungspflichtverletzung des Beklagten.

 

"Die Verkehrssicherungspflicht erfasst nur solche Personen, mit deren Gefährdung der Verpflichtete ernstlich rechnen muss. Aus dem Umstand, dass der Beklagte die Nutzung des Grünstreifens auf seinem Grundstück zu Parkzwecken stillschweigend duldete, ergibt sich keine besondere Gefahrenlage. Dass ein Parker - zumal zu nächtlicher Stunde - das Tor des ehemaligen Stallgebäudes öffnen und das Gebäude trotz fehlender Beleuchtung, zudem mit Badesandalen, betreten würde, lag denkbar fern. Zu Parkzwecken war das Gebäude ersichtlich nicht vorgesehen. Dass das Tor nicht verriegelt war, entsprach den üblichen landwirtschaftlichen Gewohnheiten und begründete keine besondere Gefahrensituation. Da der Beklagte mit einem Betreten, zumal zur Nachtzeit, nicht rechnen musste, bedurfte es auch nicht der Anbringung eines Warnschildes. Abgesehen davon hätte ein etwaiges Warnschild den angetrunkenen Betroffenen nach Überzeugung des Senats auch nicht am Betreten des Gebäudes gehindert. Außerdem verdient derjenige keinen Schutz, der sich unbefugt auf einem fremden, nicht dem allgemeinen Verkehrs eröffneten Gelände bewegt. Wer sich unbefugt unvorhersehbar in Gefahr begibt, kann darin umkommen. Kein vernünftiger Mensch hätte zur nächtlichen Stunde dem ihn unbekannten und nicht beleuchteten ehemaligen Kuhstall des Beklagten betreten. Mit diesem unverständlichen Verhalten des Getöteten musste der Beklagte nicht rechnen. ... Hinunterfallen konnte nur, wer jedwede eigene Vorsicht außer Acht ließ. Selbstgefährdungen hat die Verkehrssicherungspflicht nicht vorzubeugen. Der Hinweis des angefochtenen Urteils auf die Nähe der Gaststätte und mögliche betrunkene Personen verfängt nach Auffassung des Senats nicht. Der Nachbar eines Gaststättenbetriebs ist für besondere alkoholbedingte Gefahren deren Gaststättenbesucher auf Flächen, für die er keinen öffentlichen Verkehr eröffnet hat und auf denen er daher mit einem solchen auch nicht rechnen musste, nicht verantwortlich."