Fitnessstudio-Vertragsrecht

Petra Bork / pixelio.de
Petra Bork / pixelio.de

Kenntnis der (beginnenden) Erkrankung hindert spätere Kündigung

AG Offenbach, Urteil vom 10.04.2013 - 33 C 306/12 -



Bei Fitnessstudio-Verträgen ist eine der möglichen Gründe für eine vorzeitige Beendigung des Vertrages gem. § 314 BGB (sogenannte fristlose Kündigung) die Erkrankung. Die Entscheidungen darüber betreffen regelmäßig die Fragen, welcher Art und tatsächlicher und zeitlicher Umfang vorliegen müssen und seit wann der Nutzer davon Kenntnis hat. Denn unstreitig ist allgemein, dass der Nutzer kündigen kann, wenn ihm für die restliche Vertragslaufzeit die Nutzung der Einrichtung aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr möglich ist. 




Das Urteil im Wortlaut:



ln dem Rechtsstreit

XXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXX

 

Klägerin

 

Prozessbevollmächtigte : Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte Niehus u. Koll., Gerbermühlstraße 9, 60594 Frankfurt

Geschäftszeichen: 651/12N01 D4/7065-12

gegen

 

XXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXX

 

Beklagter

 

 

Prozessbevollmächtigte: XXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXX   Dietzenbach

Geschäftszeichen: 1420/12AF06-as

 

 

hat das Amtsgericht Offenbach am Main durch den w. a. Richter am Amtsgericht Herget aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 10.04.2013 für Recht erkannt:

 

Der Beklagte wird verurteilt , an die Klägerin 437,79 € nebst .Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 13,50 € seit dem 17.07.2012, 24.07 .2012 , 31.07.2012, 07.08.2012, 14.08.2012, 21.08.2012, 28.08.2012 und 04.09.2012 sowie aus

329,79 € seit dem 11.09.2012 sowie 75,00 € vorgerichtliche Kosten zu zahlen .

 

Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

 

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Abwendungsbefugnis für den Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils gegen ihn vollstreckbaren Betrages , sofern nicht die Klägerin vor einer Vollstreckung Sicherheit leistet in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.

 

 

Tatbestand

 

 

Die Parteien schlossen am 01.11.2010 eine Vereinbarung zur Nutzung eines Fitnessstudios.

 

Dieser Vertrag wurde abgelöst durch einen Vertrag vom 28.02 .2011, mit dem gleichen

Leistungsgegenstand (vgl. BI. 12, 114 d.A.).

 

Mit Schreiben vom 14.05.2012 kündigte der Beklagte. Der Kündigung war keine Begründung beigefügt (BI. 29 d.A.).

 

Der Beklagte kündigte erneut mit Schreiben vom 30.06 .2012 und gab als Grund Sportunfähigkeit an. Beigefügt war das Attest vom 28.06.2012 (BI. 27, 28 d.A.). Im Laufe des Rechtsstreits vorgelegt wurde ein weiteres Attest vom 07.02.2012 (BI. 78, 79 d.A.).

 

Die Klägerin ist der Ansicht, d.ie Kündigung sei unwirksam, weshalb ihr die vereinbarte Vergütung bis zum Vertragsende zustehe. Sie beantragt wie erkannt.

Der Beklagte beantragt Klageabweisung .

 

Er verweist auf die ärztlichen Atteste und ist der Ansicht, es lägen Gesundheitsbeeinträchtigungen vor, die zur Kündigung berechtigten.

 

Wegen aller weiteren Einzelheiten des Parteiverbringens wird verwiesen auf den Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze.

 

 

Entscheidungsgründe

 

Die Klage hat Erfolg.  

 

Der Beklagte ist verpflichtet, den ausstehenden Mitgliedsbeitrag zu zahlen .

 

1. Die Erkrankung des Beklagten stellt keinen zur außerordentlichen Kündigung berechti genden wichtigen Grund dar.

 

Im Attest vom 07.02.2012 heißt es, dass der Beklagte Beschwerden im Bereich der rechten Schulter hat, die seit einem Jahr bestehen, also mindestens seit Februar 2011.

 

Der Vertrag, der hier streitgegenständlich ist, wurde am 28.02.2011 geschlossen, also zu einem Zeitpunkt, als dem Beklagten diese Beschwerden bekannt waren. Es ging seinerzeit zwar nur um die rechte Schulter, aber die dort befindliche und festgestellte Arthrose hat ihn nicht abgehalten, den Vertrag abzuschließen .

 

Es war dann sein Risiko, dass sich die Krankheit manifestiert und auch weitere Gelenke erfasst, weshalb er die Kündigung nicht auf dieses Krankheitsbild stützen kann.

 

Schließt eine Partei nämlich in Kenntnis ihrer Beschwerden einen Vertrag ab, so ergibt die Risikoverteilung, dass es sich bei einer späteren Kündigung dann nicht auf diese Beschwerden berufen kann.

 

2.   Die Klage ist aber   auch bereits deswegen   abzuweisen,   weil   die   Kündigung vom

14.05.2012 verfristet ist.

Diese Kündigung datiert vom 14.05.201.2, das erste Attest, in dem Arthrose diagnostiziert

wird, vom 07.02.2012. Nach § 314 Abs. 3 BGB kann ein Berechtigter aber nur innerhalb einer angemessenen Frist kündigen, nachdem er vom Kündigungsgrund Kenntnis erlangt hat. Dies ist hier nach mehr als drei Monaten nicht mehr der Fall gewesen.

 

3. Das Gericht verkennt nicht, dass der Beklagte mit Schreiben vom 30.06.2012 erneut kündigte.

Diese Kündigung wäre nicht verfristet, wenn der Beklagte erst im Zeitpunkt des Attestes

vom 28.06.2012 von seinen Beschwerden und deren Diagnose erfahren hätte.

Das erscheint allerdings unwahrscheinlich, denn er hatte ja bereits im Mai gekündigt und kannte die Diagnose vom 07.02.2012. Auch trägt er nicht vor, warum genau er am 14.05.2012 kündigte. Wenn aus demselben Grund wie dann bei der Kündigung vom

30.06 .2012 noch einmal, wäre auch hier Verfristung anzunehmen, weil der Fristenlauf

dann nicht erst mit dem Attest vom 28.06 .2012 zu laufen begann.

 

Der Beklagte kann sich aber ohnehin , wie oben ausgeführt , nicht auf dieses Krankheitsbild

als Kündigungsgrund berufen.

 

Hinzu kommt weiter: Das Attest aus Juni ist im Gegensatz zu dem aus dem Februar absolut

detailarm und enthält mit der Formulierung "nicht sportfähig“ nur eine Ergebnismitteilung, die nicht erkennen lässt, welche speziellen Folgen die Erkrankung für die Tätigkeiten im Rahmen des Nutzungsvertrages haben werde (zur Notwendigkeit eines entsprechenden Vortrags: LG Darmstadt 6 S 111/10, hier BI 61 dA) .

Dass solch ein Vortrag notwendig wäre, ist hier besonders deutlich, weil der Beklagte ja

den streitgegenständlichen Vertrag abschloss, als er zumindest in der rechten Schulter schon an Arthrose litt. Dann ist nicht zwingend, dass, wenn weitere Gelenke betroffen sind , etwas anderes gelten soll.                                                                                 .

Dies insbesondere auch, weil die Klägerin vorträgt, sie biete ein Programm für Arthrose­Patienten an und das Zitat des Sportärztebundes- Niedersachsen führt aus, dass eine regelmäßige maßvolle

körperliche Belastung der Patienten allgemein als sinnvoll angesehen wird (BI 36 äA).             

 

4. Letztlich ist darauf hinzuweisen, dass im Rahmen des § 314 I BGB die Kündigung das letzte Mittel der Wahl ist. Das Kündigungsrecht ist ausgeschlossen, wenn sich die Störung durch Anpassung des Vertrages an die veränderten Verhältnisse beseitigen lässt und bei­ den Parteien die Fortsetzung des Vertrages zurnutbar ist (Palandt BGB § 314 Rn 9) . Da die Klägerin vertragstreu ist, besteht keine Unzumutbarkeit. Dass Abhilfe nicht hat geschaffen werden können durch zB. zeitweises Aussetzen des Vertrages oder durch Inanspruchnahme eines speziellen Trainingsprogrammes bzw. dass die Klägerin auf solch ein Ansinnen nicht eingegangen ist, hat der Beklagte nicht vorgetragen.

 

Verzinsung kann die Klägerin ab Verzug verlangen und vorgerichtliche Kosten sind als Verzugsschadenersatz     geschuldet.

 

Nebenentscheidungen: §§ 91, 708 Nr. 11, 711 ZPO.

 

Streitwert (§ 63 Abs. 2 Satz. 1 GKG): 437,79 €. Die vorgerichtlichen Kosten sind als Ne- benforden.mg   streitwertneutraL

 

Die Berufung wird nach § 511 ZPO zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zugelassen (§ 511 IV Nr. 1 ZPO). Eines besonderen Ausspruchs hierüber im Tenor bedurfte es nicht, weil es ausreicht, wenn über die Zulassung im Urteil entschieden ist (ThP/Reichold ZPO § 511 Rn 22).

 

 

 

 

 

Herget,

w. a. Richter am Amtsgericht

 

 


Download
Urteil im Abdruck
AG Offenbach 33 C 306-12.docx
Microsoft Word Dokument 250.8 KB