Fitnessstudio-Vertragsrecht


Kein Kündigungsgrund bei Vorerkrankung, wenn der Therapeut  verstirbt und sich der Gesundheitszustand verschlechtert

AG Frankfurt a.M.-Höchst, Urteil vom 02.02.2017 – 385 C 1676/16 (70) -

Kurze Inhaltsangabe:

 

Die Beklagte kündigte den auf 23 Monate abgeschlossenen Nutzungsvertrag mit der Klägerin, einer Betreiberin eines Fitnessstudios, 18 Monate vor dem regulären Kündigungszeitpunkt mit der Begründung, sie leide unter Depressionen, sozialen Ängsten und Zwangserkrankungen, welche sich während der Vertragsdauer mit der Klägerin verschlechtert hätten, da der Therapeut der Beklagten zwischenzeitlich verstarb. Sie vertrat die Auffassung, mit dem Tod des Therapeuten sei ein neuer Umstand eingetreten, die ihre psychische Situation verändert habe, ohne dass die s bei Vertragsabschluss mit der Klägerin vorhersehbar gewesen sei, weshalb dieser Umstand ein außerordentliches Kündigungsrecht gewähre.

 

Das Amtsgericht folgte dem nicht und gab der Klage bezüglich des Zahlungsrückstandes und ferner in Ansehung der Vorfälligkeitsklausel für den Fall des Zahlungsverzuges voll umfänglich statt. Es sah weder nach § 620 BGB noch nach §§ 314, 313 BGB einen wichtigen Grund zur Kündigung.  Voraussetzung für eine entsprechende Kündigung sei, dass die Fortsetzung des Vertrages bis zum regulären Ende für den Kündigenden unzumutbar wäre. Dies würde aber erfordern, dass die Erkrankung für den Kündigenden unerwartet während der Vertragslaufzeit aufgetreten wäre. Schließt der Kunde aber in Kenntnis seiner Erkrankung einen langfristigen Nutzungsvertrag, übernehme er auch das Risiko, dass er die angebotenen Leistungen möglicherweise nicht vollständig in Anspruch nehmen könne.

 

Die psychische Erkrankung der Beklagten habe bereits bei Vertragsabschluss bestanden. Nach einem vorgelegten Attest habe sie bereits ½ Jahr vor Abschluss des Vertrages mit der Klägerin Angebote eines Fitnessstudios nicht mehr nutzen können. Gleichwohl habe sie sich zum Abschluss des Vertrages entschlossen.  Sie hätte auch in Ansehung ihrer Erkrankung eine kürzere Vertragslaufzeit wählen können., sich aber wegen des günstigeren Monatspreises für die längere Vertragslaufzeit entschieden.

 

 

Die Berufung der Beklagten auf den Tod ihres Therapeuten hielt das Amtsgericht für unbehelflich. Weder ergäbe sich, wann dies war, noch habe sie erläutert, was sie mit einer „nochmals enormen Verschlechterung“ nach dessen Tod meine. Eine gewisse Verschlechterung des Gesundheitszustandes nach der vorgegebenen Ausgangslage läge im Risikobereich der Beklagten.

 

Aus den Gründen:

hat das Amtsgericht Frankfurt am Main- Außenstelle Höchst durch den Richter  am Amtsgericht  Christmann

aufgrund der mündlichen Verhandlung  vom  13.01.2017 für  Recht erkannt:

 

Die Beklagte wird verurteilt , an die Klägerin 1.011,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweils gültigen Basiszinssatz aus 61,00 € seit dem 02.04. und 02.05.2015 sowie  aus € 48,89  seit dem 02.06.2015  zu zahlen.

 

Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. Das Urteil ist vorläufig  vollstreckbar .

Die Beklagte darf die Zwangsvollstreckung abwenden gegen Sicherheitsleistung  in  Höhe von 110 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 %" des jeweils beizutreibenden Be­trages leistet.

 

Tatbestand:

 

Die Klägerin betreibt ein Fitnessstudio  in Hofheim am Taunus .

 

Am 21.03.2014 schloss die Beklagte einen Nutzungsvertrag mit einem Vertragsbeginn zum 01.11.2014 und einer Vertragslaufzeit  von 23 Monaten bis zum   30.09.2016 .

 

Wegen der Einzelheiten des betreffenden Nutzungsvertrages wird auf die Anlage K1 Bezug genommen. Das monatliche Nutzungsentgelt betrug gemäß Vertrag 54,50 € und sollte jeweils  zum  1. eines jeden  Monats gezahlt werden . Das Nutzungsentgelt sollte sich immer zum 1. Januar eines jeden Jahres um 0,50 € je Monat erhöhen. Weiterhin wurde vereinbart , dass bei einem Widerruf mit der mit Vertragsschluss erteilten Einzugsermächtigung  sich das  Nutzungsentgelt  um 6,00 € im Monat erhöht.

 

Mit Schreiben vom 24.03.2015 erklärte die Beklagte die Kündigung des Vertrages mit sofortiger Wirkung . Dem Kündigungsschreiben beigefügt war eine Ärztliche Bescheini­gung des Medizinischen Versorgungszentrums Krankenhaus Hofheim vom 24.03.2015 . Wegen der Einzelheiten des betreffenden Kündigungsschreibens und des beigefügten Attestes wird auf die Anlagen 81 und B 2, Blatt 31/32 der Akte verwiesen . Das Schrei­ben vom 24.03.2015 erhielt auch einen Entzug der Einzugsermächtigung bezüglich des Nutzungsentgeltes .

Die Klägerin ist der Ansicht , dass die ausgesprochene Kündigung Wirkung erst zum Ablauf der vereinbarten Vertragslaufzeit entfalte und macht nachträgliches Nutzungs­ entgelt für den Zeitraum  01.04.2015-30 .09.2016 geltend.

 

Die Klägerin beantragt,

 

wie erkannt.

 

Die Beklagte beantragt,

 

die Klage abzuweisen.

 

Sie ist der Ansicht , dass die Kündigung vom 24.03.2015 das Vertragsverhältnis mit der Klägerin mit sofortiger Wirkung wirksam beendet habe. Die Beklagte leite unter Depres­sionen, sozialen Ängsten und Zwangserkrankungen , welche sich während der Vertrags­ dauer nochmals enorm verschlechtert hätten, da der damalige Therapeut der Beklagten zwischenzeitlich  leider verstorben  sei und die Beklagte zwischenzeitlich  auch verrentet worden sei. Daher habe sich im März 2015 herausgestellt , dass die Beklagte die c:inrichtungen der Klägerin aufgrund ihrer Grunderkrankung nicht mehr würde nutzen können. Mit dem Tod des ehemaligen Therapeuten der Beklagten sei ein neuer Umstand eingetreten, der die psychische Situation der Beklagten sehr verschlechtert habe, was bei Vertragsabschluss nicht absehbar gewesen sei (Beweis: Zeugnis des Ehemannes der Beklagten, Herrn Rene Schneider).

 

Die Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die gerichtliche Niederschrift vom 13.01.2017 verwiesen .

 

Entscheidungsgründe:

 

Die zulässige  Klage ist begründet.

 

Die Klägerin hat aus § 535 Abs . 2 BGB in Verbindung mit dem abgeschlossenen Fitnessvertrag vom 21.10.2014 einen Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung des Nutzungsentgeltes für die Monate April 2015 bis einschließlich September 2016 . Dabei beläuft sich das Nutzungsentgelt aufgrund der vertraglichen Vereinbarungen und des Widerrufs der mit Vertragsschluss erteilten  Einzugsermächtigung  für die Monate April 2015 bis einschließlich Dezember 2015 auf 61,00 € je Monat und für die Monate Januar 2016 bis September  2016 auf 61,50 € je  Monat, wobei die Klägerin die Gesamtforderung mit  1.011,00 €  berechnet  und begrenzt hat.

 

Die Kündigung der Beklagten vom 24.03.2015  ist nicht geeignet , den Vertrag  mit  Wirkung  des Eingangs des Kündigungsschreibens  zu beenden. Im   Rahmen der au­ßerordentlichen Kündigung, gleich ob sie auf § 620 BGB oder auf §§ 314, 313 BBG ge­stützt wird, ist ein wichtiger Grund im Sinne dieser Vorschriften nur dann anzunehmen , wenn unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles sowie unter Berücksichti­gung der Interessen beider Vertragspartner im Zeitpunkt  der  Kündigungserklärung  sich die Fortsetzung des Schuldverhältnisses bis zu dessen regulärer Beendigung für den Kündigenden  als  unzumutbar darstellt.

 

Diese Maßstäbe zugrunde gelegt, stellt die Erkrankung der Beklagten keinen zur außer­ordentlichen Kündigung berechtigenden, wichtigen Grund dar.  Eine Erkrankung des Kunden aus wichtigem Grund kann für die Kündigung eines Fitnessvertrages nur dann herangezogen werden,  wenn  diese  Erkrankung für den Kunden unerwartet während   der Vertragslaufzeit aufgetreten ist. Derjenige Kunde jedoch, der in Kenntnis seiner Erkran­kung einen langfristigen Nutzungsvertrag mit einem Fitnessstudio abschließt, übernimmt damit auch das Risiko, dass er die ihm angebotenen Leistungen möglicherweise nicht vollständig in Anspruch nehmen können  wird.

 

Der Beklagten war  bei Abschluss  des Vertrages  im Oktober 2014 bekannt, dass sie unter Depressionen, sozialen Ängsten  und Zwangserkrankungen  litt. Ausweislich  des von ihr selbst vorgelegten Attestes vom 24.03.2015 war sie aufgrund ihrer Grunderkran­kung bereits seit mindestens Mai 2014, also bereits 1/2 Jahr vor Abschluss des streitge­genständlichen Fitnessvertrages  nicht in der Lage, in ein Fitnessstudio zu gehen bzw.  die dortigen Angebote zu nutzen. Die Beklagte hat sich trotzdem zum Abschluss eines Fitnessvertrages entschlossen. Die Beklagte hätte das aufgrund ihrer Erkrankung vorhandene Risiko einer Verschlechterung durch Wahl einer kürzeren Vertragslaufzeit entsprechend minimieren können. Die Beklagte hat sich aber stattdessen für eine längere Vertragslaufzeit  mit entsprechend günstigeren  Monatsbeiträgen entschieden. Unter diesen Umständen kann sich die Beklagte auch nicht wirksam auf eine Verschlechterung ihres Gesundheitszustandes berufen. Nach dem vorgelegten Attest war der Gesundheitszustand bereits bei Abschluss des Vertrages so schlecht, dass ei­gentlich ein Training gar nicht möglich war.

 

Soweit sich die Beklagte auf eine weitere Verschlechterung wegen des Todes ihres Therapeuten berufen hat,  hat sie dies zeitlich weder näher dargetan noch  erläutert, was nochmals enorm verschlechtert" genau gemeint ist. Insoweit hat der Beklagtenvertreter im Termin am 13.01.2017 auf Befragen erklären können, dass der Therapeut nach seinem Kenntnisstand zwischen Vertragsschluss  und der ausgesprochenen Kündigung verstorben sei.

 

Die Beklagte hat also in Ansehung des Risikos den Vertrag abgeschlossen, was alleine bereits eine vorzeitige Beendigung wegen derselben Grunderkrankung ausschließt, als auch die konkrete Verschlechterung weder hinsichtlich der genauen Umstände als auch des genauen Datums hinreichend dargelegt. Die gewisse bedauerliche behauptete Verschlechterung des Gesundheitszustandes liegt unter diesen Umständen allein im Risikobereich des Kündigenden.

 

Diese Wertung und Risikoverteilung entspricht - auch in Ansehung der wirtschaftlichen zusammenhänge  - der ständigen von Klägerseite bereits zitierten   Rechtsprechung.

 

 

Der Anspruch auf Zinsen und vorgerichtlich Kosten folgt aus §§ 286 Abs .2 Satz 1, 288 Abs.1, 280 BGB.

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Urteil im Abdruck
AG Ffm Höchst 02.02.2017 - 385 C 1676-16
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